Darfs noch a biß’l mehr sein?

St. Pöl­ten in Öster­re­ich, am 16. März 2009: Vor dem örtlichen Gerichts­ge­bäude macht ein Mann mit Aktenkof­fer die Runde. Gek­lei­det wie ein Han­delsverteter geht er von Jour­nal­is­ten­team zu Jour­nal­is­ten­team und unter­bre­itet allen das selbe Ange­bot: In seinem Besitz befinden sich aktuelle unverkäu­fliche Fotografien der Opfer des angeklagten „Inzest-Mon­sters von Amstet­ten“, Josef Fritzl. Auf­nah­men aus der psy­chi­a­trischen Klinik, in welcher sich seine Fam­i­lie gegen­wär­tig befindet. Zu tun hat der öster­re­ichis­che Paparazzo und Bekan­nte Frit­zls, Hein­rich Schmatz jetzt eine Menge: Ins­ge­samt 200 Jour­nal­is­ten aus aller Welt sollen in die öster­re­ichis­che Kle­in­stadt gereist sein, um über den Prozessver­lauf zu berichten – meist aus der Boule­vard­presse. Also 200 mal mehrsprachig das­selbe Ange­bot wieder­holen. Aber Schmatz kann sich Zeit lassen. Auf Nach­frage eines deutschen Fernse­hjour­nal­is­ten, wer denn nun für wieviel Geld den Zuschlag erhält, antwortet er vor laufender Kam­era zurück­hal­tend grinsend:

„Ja , es gibt Ange­bote, es ste­hen Mil­lio­nen­be­träge im Raum, aber die nehm ich nicht ernst.“

Doch Schmatz ist nicht der einzige, der sich einen ordentlichen Gewinn vom Verkauf der Fam­i­lien­bilder des Mon­sters von Amstet­ten ver­spricht: Mit­tler­weile sollen ganze Preis­lis­ten für die Ver­mark­tung der „Fritzl“-Familienbilder existieren. Was mit anderen Worten heißt:

Die inter­na­tionale Regen­bo­gen­presse läuft in St. Pöl­ten zur Hochform auf.
Und mit Sicher­heit weiß sie nicht mal, wie das Wort „Rezes­sion“ buch­sta­biert wird. 

Braucht sie auch nicht, die Nach­frage für diese Fotos ist weltweit riesig und stellt alle wohlmeinen­den Absicht­serk­lärun­gen ethis­cher jour­nal­is­tis­cher Berichter­stat­tung in den Schat­ten. Ger­ade das aber wird immer mehr zum Prob­lem für den ser­iösen Bild­jour­nal­is­mus: Wie ist er im glob­alen Aufla­gen – und Ein­schaltquotenkampf aufgestellt und kann er es sich über­haupt noch leis­ten, eben nicht spek­takulär Opfer abzubilden?

So wird die Rede vom „Recht auf Infor­ma­tion für alle“ schnell willkommener Vor­wand für enthemmte Zurschaustel­lung wehrloser Per­so­nen, nichts anderes als ein Instru­ment zur Bedi­enung glob­alen Voyeurismus. 

Selb­stver­ständlich gehören dazu immer zwei: Die Bild­liefer­an­ten und wir selbst als neugierige Betra­chter und Aufla­gen­garant. Ges­teuert wird der Mech­a­nis­mus von ersteren, wie über­all bes­timmt das Ange­bot die Nach­frage. Und erst, wenn sich kein Aas mehr solche Bilder reinzieht, gibt es diesen Markt nicht mehr -
beileibe keine beson­ders neue Erkenntnis.

Aber dann wüsste wahrschein­lich auch die Boule­vard­presse, wie das Wort Rezes­sion geschrieben wird.
Was wiederum ein weit­eres ökonomis­ches Debakel zur Folge hätte.