Das ausgebaute Lagertor

…mit der von den Nazis miss­brauchten Inschrift „Jedem das Seine« findet nun erst­ma­lig Ein­gang in ein Weimarer Museum. Ab kom­menden Son­ntag, dem 2. August 2009 ist das Lager­tor des KZs Buchen­wald Bestandteil der Ausstel­lung „Franz Ehrlich. Ein Bauhäusler in Wider­stand und Konzen­tra­tionslager« im „Neuen Museum«. Eine spek­takuläre Aktion.

Und der Tat ist dieses Tor ein Arte­fakt ganz eigener Liga mit kom­pat­i­bler Geschichte: Wurde es doch vom ehe­ma­li­gen Bauhäusler und späteren KZ-Häftling Franz Ehrlich auf Anweisung der dama­li­gen SS-Bauleitung ent­wor­fen. Ehrlich schuf den Spruch in einer Typogra­phie des Bauhauses, in Anlehnung an seinen Meis­ter Joost Schmidt.

Und keine Nazi – Sau hat damals was gemerkt. Sehr cool. Das ist sub­ver­siver Protest in ganz eigener Sache nach dem klas­sis­chen Motto: Nutze die Bil­dungslücken des Geg­n­ers opti­mal aus.

Doch apro­pos Lücken:

Ger­ade bezüglich der enthemmten Weit­er­ver­w­er­tung des Spruchs „Jedem das Seine« tun sich bis heute nicht nur sim­ple Lücken, son­dern bizarrste geschichts­freie Abgründe auf. Und die reichen von den unbe­darften Cre­ative Direk­tors der Wer­be­branche bis hinein in die Schulen unseres Landes.

Denn seit den neun­ziger Jahren wurde der Spruch mit anhal­tender Regelmäßigkeit zwan­g­los weiter benutzt respek­tive missbraucht.

Hier die Verwendungschronik:

1997 warb damit erst­mals die Firma „microsoft« für  Bürosoftware.

1998 nutze der Konz­ern „NOKIA« den Ausspruch.

1999 warb damit das Nahrungsmit­telun­ternehmen Rewe für Grillzubehör,

1999 stand „Jedem das Seine« auf den Falt­blät­tern der Erfurter „Burger King ‑Fil­iale«

2001 war der Spruch auf einer Wer­beak­tion der Münch­ner „Merkur-Bank« zu lesen.

Im gle­ichen Jahr ließ sich dann auch die deutsche Telekom nicht lumpen und titelte „Jedem das Seine« in ihrer Werbebroschüre

2009 war er Titel einer gemein­samen Wer­bekam­pagne der Fir­men Tschibo und Esso.

Eben­falls 2009 wurde aus­gerech­net „Jedem das Seine« zum Motto einer bil­dungspoli­tis­chen Kam­pagne der Schüler-Union in Nor­drhein-West­falen. Die der CDU nahe ste­hende Organ­i­sa­tion hatte sich gegen Gemein­schaftss­chulen gewandt und für den Erhalt des gegliederten Schul­sys­tems gewor­ben. Und dafür wählten die Jugendlichen das Motto »Nicht jedem das Gle­iche, son­dern jedem das Seine«…

Ende der Durchsage.

So erhält „Jedem das Seine« auch eine dur­chaus zeit­genös­sis­che Dimen­sion, auf die unbe­d­ingt in besagter Ausstel­lung ver­wiesen wer­den sollte.