Der Chef mit bunter Strickmaske

Zwei Jahre Straflager brummte ein Moskauer Gericht der Punkband „Pussy Riot“ für deren schrilles Anti-Putin – Gebet in der örtlichen „Christi-Erlöser-Kathe­drale“ auf.

Die drei Akteurin­nen nah­men das Urteil mit stois­cher Gelassen­heit auf. Als ob sie in ihrer trans­par­enten Plas­tikzelle nichts anderes erwartet hät­ten. Jetzt wird zün­ftig gemärtyrert.

So brach denn auch kurz darauf der Protest­sturm los: Ein rus­sis­cher Schach-Promi und andere unbekan­nte Demon­stran­ten ließen sich medi­en­trächtig ver­haften. Kom­pat­i­bel mit weltweiten Sol­i­dar­ität­sak­tio­nen vieler Kün­stlerkol­legin­nen und Kol­le­gen. Flankiert von den medi­alen Ein­las­sun­gen vieler Poli­tiker der west­lichen Hemisphäre.

Von Entrüs­tung, Unver­hält­nis­mäßigkeit und ähn­lichem war über­all die Rede. Rus­s­land sei also doch eine Dik­tatur. Als ob das vorher nie­mand gewusst hätte. Mit einem ehe­ma­li­gen KGB-Mann an der Spitze. Dessen Kon­ter­fei nun im Inter­net zur visuellen Vor­lage für schrill­ste Strick­masken-Col­la­gen mutiert.

Aber es macht ja auch Spaß, vom sicheren freien Westen aus „Free Pussy Riot“ zu skandieren und deren Spon­tan­protest – Aktio­nen gle­ich mal in deutschen Gotteshäusern zu kopieren. Oder ihn für diverse Lau­da­tios kom­pat­i­bler Ausstel­lun­gen zu verhackstücken.

Wo sich doch auch der Name so schön schweinisch ausspricht. Ins deutsche über­setzt klingt er übri­gens noch ver­sauter: „Muschi-Krawall“ heißt das dann.

Vielle­icht ließ sie sich die Band auch deshalb ihren Namen paten­tieren. Um sich gegen Miss­brauch zu schützen, lautet die medi­ale Begründung.

Dabei kön­nte man auch auf ganz andere hand­feste Gründe kom­men: Zum Beispiel eine kluge vorauss­chauende Kom­merzial­isierung der rus­sis­chen Protestkul­tur. Die würde zwar mit­nichten die Gesellschaft verän­dern, dafür aber Rep­u­ta­tion, Arbeits ‑und Lebensver­hält­nisse einzel­ner Protestkün­stler entschei­dend verbessern.

Vielle­icht weht daher der Wind: Eine Konz­ert­tour, medi­en­trächtige Auftritte zu inter­na­tionalen Kun­stmessen wären zukün­ftig drin. Gar­niert mit einer Men­schen­rechts-Preisver­lei­hung in Weimar. Das kommt immer gut.

Ver­di­ent hät­ten es einige Protest-Akteure sogar. Denn viele haben mehr als nur ihre Frei­heit riskiert. Selb­stver­ständlich ist das zynisch und oben­drein bösar­tig spekulativ.

Weniger speku­la­tiv hinge­gen ist die Feigheit des West­ens im Umgang mit der Leit­figur der Plat­tform „Wik­ileaks“, Julien Assange. Denn das tut richtig weh und ist ein medi­ales Minen­feld. Nix da mit Solidarität.

Beim Umgang mit einge­forderter Infor­ma­tions­frei­hiet im Inter­net ist Schluss mit lustig. Und zwar in Echtzeit.