Der Lange Jacob…

in Weimar ist schlicht zu dem Inbe­griff für alle Neubauhas­ser gewor­den. Wie eine Trutzburg der jün­geren Ver­gan­gen­heit über­ragt das Stu­den­ten­wohn­heim die anson­sten so beschaulich anzuse­hende Kle­in­stadt – bis heute umstrit­ten, doch prak­tisch für die Benutzer. Eine visuelle und architek­tonis­che Pro­voka­tion, ein bauliches Relikt aus ver­gan­genen DDR-Zeiten, das wie kein anderes zum markan­ten Gegen­pol von Bastille und Stadtschloss wurde und so das Erschei­n­ungs­bild der Stadt prägt. Und auch Beleg dafür, wie die enthemmte Architek­tur-Mod­erne der sechziger Jahre auch und ger­ade in Weimar wütete.

Glück­licher­weise fehlte im dama­li­gen Osten Deutsch­lands schlicht das Geld, um Schiller­straße und his­torischen Markt so per­fekt zu ver­be­ton-plat­ten wie im Westen.

Doch nun gibt es den lan­gen Jacob – wie sein­erzeit Goethe-Garten­haus und Haus am Horn – als zeit­genös­sis­chen Bastel­bo­gen aus Kar­ton zum Sel­ber­fal­ten und Kleben. Eine feine Sache. Bis jetzt allerd­ings nur zu erwer­ben in den Räu­men der Ausstel­lung „Anita Bach: Bauen und Lehren an der Hochschule für Architek­tur und Bauwesen“.

Anlaß ist der achtzig­ste Geburt­stag der ein­st­mals ersten Architek­tur­pro­fes­sorin der DDR, die auch heute noch ausseror­dentlich vital ist und sich die per­sön­liche Anreise zur Eröff­nung inclu­sive State­ment nicht nehmen ließ. Zu sehen sind ihre markan­testen Pro­jekte, aus­sagekräftig doku­men­tiert. Dazu zählt auch die hiesige Mensa am Park, welche in diesem Herbst 25 Jahre alt wird und deren Ruf bis heute nicht der schlecht­este Ist.

Und sel­ber bauen kann man in dieser Ausstel­lung auch: Dank der hip­pen Retro-Welle ist der ein­st­mals ver­haßte kleine Kun­st­stoff-Mod­ell­bausatz des DDR-Woh­nungs­bau­typs „WBS 70“ ange­sagtester Kult.
Mit­tels eines – allerd­ings DDR-untyp­is­chen – großen Vor­rates an Plas­tik­plat­ten und allem nötigem Zube­hör kann man vor Ort – inspiri­ert von umgebe­nen echten Architek­turen­twür­fen und Pro­jek­ten – seine eige­nen, wie auch immer geart­eten post­mod­er­nen oder futur­is­tis­chen Gebäude errichten.

Zusam­menge­tra­gen und konzip­iert wurde die Ausstel­lung von Chris­tiane Wolf, Kura­torin des Archivs der Mod­erne der Bauhaus-Uni­ver­sität Weimar. Die Ausstel­lung ist Mon­tag bis Sam­stag von 11. bis 17.00 Uhr geöffnet und lei­der nur noch bis zum 28. Novem­ber zu sehen.
Sie sollte unbe­d­ingt ver­längert werden.