Die Karl Marx-Straße

…in Trier ist schmal und unschein­bar. Kleine Geschäfte, zwei Kneipen, eine Galerie und ein Auto­haus säu­men ihren Rand. Und gle­ich mehre  Sexshops inclu­sive Videok­abi­nen. „Zehn Pro­gramme!“ ver­spricht die Leuchtschrift. Das macht den Kern der Straße aus.

Damit beginnt auch der Doku­men­tarfilm des west­deutschen Filmemach­ers Pavel Schn­abel über die frisch beschlossene Städtepart­ner­schaft zwis­chen Trier und Weimar im Jahre 1988. Den Auf­trag dafür hatte er von der ARD erhal­ten. Ein Städte-Dop­pel­porträt sollte es werden.

Mit­ten in die Drehar­beiten platzte dann die Wende. Erst­mals kon­nte Schn­abel ohne Stasi-Auf­passer in Weimar fil­men, ungestört arbeiten und vor allem deren Bewohner befra­gen. Stück für Stück entwick­el­ten sich so unge­mein aus­sagekräftige Szenen. Vor allem dann, wenn diesel­ben Men­schen vor und nach 1990 sprechen.

So etwa der Direk­tor der Weimarer „Erweit­erten Ober­schule Karl Marx“, welcher gle­ich nach der Wende Ver­sicherungsvertreter wurde. Oder ein Blick auf den Karl-Marx-Platz in Weimar, der im Jahre 1990 zum Gebraucht­wa­gen-Automarkt mutierte. Wie über­all in Ostdeutschland. 

Freilich kom­men auch Aktivis­ten der Wen­dezeit zu Wort, alte und junge. Doch auch die Kom­mentare der Tri­erer Bürger sprechen für sich und geben den Stim­mungswan­del jener Jahre wieder:

„Jetzt müsse mer auch noch für die schaffe, die han doch nix“, spricht jemand ins Mikro­fon. Dafür liefer­ten die Tri­erer Verkehrs­be­triebe gebrauchte, aber funk­tion­stüchtige Omin­busse an die Weimarer Part­ner­stadt. Und so kam es, dass im Dezem­ber 1990 zwölf rote Omnibusse im Schnee­treiben auf dem Weimarer The­ater­platz standen.

“Brüder und Schwest­ern“ heißt Pavel Schn­abels abend­fül­len­der Doku­men­tarfilm. Wie so vieles ist er fast in Vergessen­heit ger­aten. Vielle­icht auch deshalb, weil diese Städtepart­ner­schaft ein sper­riges Relikt aus DDR-Zeiten ist und das polierte Bild vom wiedervere­inigten Deutsch­land ein biss­chen trübt. Aber warum eigentlich?

1990_12TheaterplatzBusse