Ganz außer der Reihe

…des täglichen Wahlplakat-Ter­rors blickt man in der örtlichen Jenaer Straße plöt­zlich auf ein Groß­plakat ganz eigener Art.

Fast wie ein visueller Schluck­auf springt einem die über­große Städtereklame ins Gesicht: Auf wasserblauem Grund ist eine weiße Umris­skarte abge­bildet, die mit lauter kleinen chemis­chen Sym­bolen für das Ele­ment Wasser aus­ge­füllt ist. In einer roten rechteck­i­gen Sprech­blase steht dann auch gle­ich der geografis­che Ort: „Kon­stanz – die Stadt am H2O“.

Aha. Das ist eine orig­inell gemeinte Anspielung auf den beson­deren Charak­ter der Stadt. Schließlich hat Kon­stanz eine Élite-Uni­ver­sität vorzuweisen und da kann man es sich schon mal leis­ten, den Bodensee mit­tels H2O– Sym­bolen darzustellen. Doch genau hier liegt das Problem.

Denn jedem Chemielehrer fällt bei näherem Hin­se­hen sofort auf, dass eben jene Darstel­lung einen kleinen, aber ver­häng­nisvollen Fehler hat: Nicht Wasser­moleküle, son­dern sim­ples Formalde­hyd wurde hier dargestellt. 

Die grafis­che Vere­in­fachung hat offen­sichtlich zu diesem Patzer geführt. Anstelle von zwei Strichen, die vom Sauer­stoff-Atom zu jew­eils zwei Wasser­stoff-Atomen führen, tut dies hier nur jew­eils einer. Und das genau weist eben auf jene vere­in­fachte Formalde­hyd-Darstel­lung hin.

Offen­sichtlich hat der ver­ant­wortliche Grafiker eine ordentliche Recherche als Behin­derung seiner Kreativ­ität gese­hen und dementsprechend gehandelt.

Also dann: „Willkom­men in Kon­stanz – die Stadt am Formalde­hyd!“ Doch Vor­sicht, sehr giftig. Das ist mehr als nur pein­lich. Und vor allem dann, wenn sich besagte Stadt als „Klein Har­vard am Bodensee“ gebiert. Sei­ther jeden­falls hagelte es wütende Brief an die Mar­ket­ing-Agen­tur, welche die Kam­pagne ersann und die Bun­desre­pub­lik damit flächen deck­end zuplakatierte.

In diesen Wochen endet die Kam­pagne. In Weimar ist nun eines der let­zten der Exem­plare zu sehen. Wer weiß, warum aus­gerech­net hier. Und eigentlich wäre das ein Sam­melob­jekt für das hiesige Stadtmuseum.