Lächelnd vor Ort

Vor eini­gen Tagen ließ sich der chi­ne­sis­che Kün­stler Ai Wei­wei bere­itwilligmit der AFD – Frak­tionsvor­sitzen­den Alice Wei­del in einem Berliner Restau­rant auf ein Selfi ein.
Danach postete Wei­del das Foto im Net­zw­erk Twit­ter. Einer Trophäe gle­ich. Viele AFD – Anhänger lobten Wei­dels gelun­gene Provokation.
Freilich löste das auch heftige Kri­tik am Kün­stler aus. Der reagierte gelassen und kom­men­tierte schlicht: „Obwohl ihre Ansichten völ­lig gegen­sät­zlich zu meinen sind, hat nie­mand das Recht, über sie per­sön­lich zu richten…“ Und weiter: „Ich glaube nicht, dass gegen­sät­zliche poli­tis­che Anschau­un­gen oder Werte ein Hin­der­nis für Kom­mu­nika­tion sein soll­ten. Ich kämpfe dafür, dies Gren­zen einzureißen.“

Das klingt selb­stver­ständlich klug und plau­si­bel. Liebe Deine Feinde und zele­briere die Gegensätze.
Der außeror­dentlich erfol­gre­iche und umtriebige Ai Wei Wei sollte sich allerd­ings trotz­dem fra­gen, für welche Zwecke er visuell ver­hack­stückt wurde. Trotz seiner coolen Reaktion.

Er muss es schließlich wis­sen und hat die Zen­sur am eige­nen Leib erlebt. Die Regierung seines Heimat­lands hat ihn als kri­tis­chen Geist unter Vor­wän­den krim­i­nal­isiert und aus­ges­perrt. Mit­tler­weile lebt er in Berlin und ist selb­stver­ständlich immer zur Stelle, wenn es um Ein­forderung von Men­schen­rechten geht. Inbe­grif­fen sein Engage­ment für Flüchtlinge.

Mal ani­mierte er Promis und Par­tygäste einer Berliner Film – Gala, sich Mum­men­schanz – artig in gold­ene Leben­sret­tungs­decken zu hüllen. Oder posierte als ges­tran­de­ter toter Flüchtling am Ufer des Mittelmeeres.
Eine eher pein­liche denn aufrüt­tel­nde Sit­u­a­tion, die mit voyeuris­tis­cher Agit­prop – Geste auf­fallen will.

So mutiert Ai Wei­wei ganz sanft zum Berufs – Mär­tyrer und wird dabei zum gesellschaftlichen Label, dass zur Vergewis­serung des zeit­genös­sis­chen deutschen Mei­n­ungskon­sens beiträgt.
Als leben­der Beweis für Artikel fünf des Grundge­set­ztes der Bun­desre­pub­lik Deutschland.

Doch darunter lei­det eines, dass ihn in früheren Jahren her­vorhob. Da hatte er noch mutig alle gesellschaftlichen Wider­sprüche empathisch zum Thema gemacht. Sich selbst inbegriffen.
Vor allem aber hat er sich von nie­man­dem vere­in­nah­men lassen.

Das ist ihm abhan­den gekom­men. Geblieben ist ein mat­ter Abglanz seiner selbst. Gefan­gen im gold­e­nen Gesellschaft­skä­fig eigener benutzerdefinierter Künstlerprominenz.