1378 (km)
So lang war die ehemalige innerdeutsche Grenze, inclusive Patrouillen und Selbstschussanlagen. Nun wurde diese Ziffer Titel eines neuen Ego-Shooter – Computerspiels: Im Jahre 1976 schlüpfen wahlweise zwei Teams in die Rollen von Republikflüchtlingen oder Grenzsoldaten. Erstere müssen nun Hindernisse überwinden, letztere die Flüchtlinge mit den bekannten Mitteln aufhalten. Freilich auch mit der Schusswaffe.
Der Student Jens Stober hat sich dieses Spiel an der „Hochschule für Gestaltung“ in Karlsruhe ausgedacht. Und er will es keineswegs als dumpfbackiges Ballerspiel verstanden wissen. Vielmehr sieht er es als neues interaktives Mittel zum Nachdenken über den damaligen Schießbefehl.
Dafür hat er Im Vorfeld ausführlich recherchiert und die Erkenntnisse ins Spiel eingebracht: So tauchen dort immer entsprechende Infotafeln auf. Schießt ein Grenzsoldat beispielsweise zuviele Flüchtlinge ab, erhält er einen Orden. Und im Jahre 2000 findet er sich dann auf der Anklagebank als Mauerschütze wieder.
Freilich ist dieses Spiel eine gewagte Sache und buchstäblich grenzwertig. So fallen denn auch die Reaktionen aus: Diverse Mauerschützen – Opferverbände und Historiker laufen bereits Sturm dagegen und finden es zynisch und geschmacklos. Das seien die falschen Mittel zur Aufklärung und stellen eine Verhöhnung der Opfer dar.
Wirklich? Schon seit Jahren existieren Brettspiele, in denen man DDR –Biografien nachspielen und auch sein Ableben selbst wählen kann: Vom Staatsbegräbnis bis hin zum Tod als Republikflüchtling. Der Vergleich mag etwas hinken.
Vielleicht kann es einfach sein, dass die Kritiker mit dem Spielemedium selbst ihre Probleme haben. Vor allem dann, wenn man eben nicht braver virtueller Geschichtsrezipient, sondern selbstverantwortlicher Akteur wird. Für diese Momente wird die extreme Widersprüchlichkeit der damaligen Situation spürbar.
Und das kann in der Tat eine neue Annäherung an jüngste deutsche Geschichte sein.
Soviel zu den Möglichkeiten des nicht mehr ganz neuen Mediums. Pikanterweise soll das Spiel am 3. Oktober, zum „Tag der Deutschen Einheit“ veröffentlicht werden. Als kostenloser Download auf der Seite www.1378km.de.
Es sollte mindestens in allen Grenzland-Museen etabliert werden. Auf weitere Reaktionen darf man gespannt sein.