Achtung!
»Du bist Deutschland« heißt es noch immer penetrant in diversen Printmedien und TV-Spots, in welchen uns die üblichen Promis mittels gnadenlos flockiger Sprüche klar machen, wie klasse es ist, in Deutschland zu leben.
In einer der größten und mit Sicherheit teuersten Optimismus-Kampagnen führender deutscher Medienunternehmen unter der Ägidie der mehrfach preisgekrönten Agentur „Jung von Matt“ wurde grenzenloser Optimismus befohlen, und alle machen bis heute mit: Ullrich Wickert, Katharina Witt, Harald Schmidt, Günther Jauch, Minh Khai Phan Thi, Yvonne Catterfeld, Sandra Maischberger, Fußballstar Gerald Asamoa und so weiter – alibimäßig flankiert von Einzel- und Gruppenbildern ganz normaler deutscher Mitbürger, welche freilich im dominanten Promiaufgebot kläglich untergehen.
Im Klartext: Mit viel Kohle auf der Kante und ein paar tönenden Kindergruppen ließen sich schon immer klasse rosarote Sprüche klopfen, die den vielen Erwerbslosen einen ordentlichen Schlag ins Gesicht verpassen. Und es hat schon immer mehr als nur geschadet, wenn Stärkere den Schwächeren mal so richtig die Erfolgsinstrumente gezeigt haben und denen vielwissend sagen, wo‘s lang geht.
Dass die Angelegenheit so unbeabsichtigt aus dem Ruder lief und in puren Zynismus ausartete, kam bei soviel kollektiven Frohsinn unserer besserverdienenden Mitbürger unangenehm schnell ans Tageslicht. So weit, so schlecht.
Doch seit einigen Tagen ist die Angelegenheit noch um einen Akzent peinlicher geworden, die Untiefen schlecht recherchierter Vergangenheit lassen wiedereinmal grüßen: Den Spruch der Kampagne benutzen nämlich auch schon die Nazis im Jahre 1934: „Denn Du bist Deutschland“ ist auf dem Foto einer Kundgebung in Ludwigshafen zu lesen, zu wecher auch führende NS-Größen wie Joseph Goebbels und Hermann Göring anwesend gewesen sein sollen. In übergroßen Lettern prangt der Spruch auf einem Transparent, daneben ein Porträt Hitlers.
Laut einem „Spiegel Online“-Artikel ist diese sicher unbeabsichtigte Parallelität zur aktuellen „Du bist Deutschland“- Kampagne dem Historiker und Stadtarchivar von Ludfwigsafen, Stefan Mörz, aufgefallen: „Jedes mal, wenn ich den Spot im Fernsehen sehe, muß ich an dieses Bild denken“, so sein Kommentar. Abgedruckt ist besagtes Foto in dem Band „Ludwigshafen – Ein Jahrhundert in Bildern“, dessen Autor er ist.
Die zuständigen Textredakteure der aktuellen Kampagne lehnten freilich jede Verbindung zu dieser Situation ab, was auch angesichts des Inhaltes durchaus zu überzeugen vermag. Doch anstelle des simplen Eingeständnisses schlampiger Recherche waren lediglich flaue rhetorische Gegenangriffe zu hören wie „… es könne außerdem nicht sein, dass der Begriff Deutschland für die Vergangenheit reserviert sei“, begleitet von antifaschistischen Beteuerungsformeln und so weiter.
So hat das Ganze einen weiteren Makel bekommen und wirft die brisante Frage auf, wie es denn um das Verhältnis zwischen Nazi-Propaganda und Marketing eigentlich bestellt ist: Diverse „Jedem das Seine“- Kampagnen, welche mit unverschämter Selbstverständlichkeit den Spruch am Eingang des KZs Buchenwald benutzten, lassen grüßen und auf ein erschreckendes Allgemeinbildungsdefizit vieler Werbetexter schließen.
A propos Agentur „Jung von Matt“: Aus ihrer Feder stammen auch die krachledernen Sprüche wie „Geiz ist Geil“ oder „Weimar wird geiler“ für eine Elektronikmarkt-Kette.