Aus dem Nähkästchen…

oder: Traum und Wirk­lichkeit des Fotografe­nall­t­ags: „Vielle­icht haben auch Sie sich schon lange gewün­scht, Ihre Fotos nicht nur der Öffentlichkeit zu präsen­tieren, son­dern auch Geld mit Ihren Auf­nah­men zu ver­di­enen. Unser neues Pro­jekt „augenzeuge.de“ bietet Ihnen jetzt die Chance, Ihre Fotos promi­nent zu veröf­fentlichen und dafür wie ein Profi-Fotograf hon­ori­ert zu wer­den…« Das ist die kurze Ein­führung zur neuen Rubrik der Online-Aus­gabe von stern.de, welches sich am Print-Mag­a­zin „VIEW“ des Mag­a­zins ori­en­tiert und jenes beschriebenes Credo verfolgt.
Ab August 2006 kann also jeder, welcher ein veröf­fentlichungswertes Dig­i­tal­foto schießt und es an die Redak­tion von „augenzeuge.de“ schickt, unter Umstän­den ganz gut Kohle ver­di­enen – das ist doch was, ver­lock­end und nur gerecht gegenüber den sich so arro­gant gebär­den­den Profis.
Nun ist die Idee, als Ver­lag mit dig­i­talem Volks­bild­ma­te­r­ial pub­lizis­tisch zu arbeiten, so neu freilich nicht.

Die „BILD“-Zeitung zele­bri­ert die Angele­gen­heit schon seit einem Jahr außeror­dentlich erfol­gre­ich und ist sich nicht zu schade, Ihren tapferen Bild­liefer­an­ten sogar einen Presseausweis anzu­bi­eten, welchen man aus der Zeitung selbst auss­chnei­den und mit eigenem Namen aus­füllen kann. Und so hat die Geburtsstunde der
„Volkspa­parazzi“ ganz unspek­takulär geschla­gen. Von nun an müssen wir darauf gefasst sein, in wirk­lich jeder denkbar unan­genehmen, halb­wegs spek­takulären Sit­u­a­tion fotografiert und veröf­fentlicht zu werden.
Egal ob Promi oder Stino.

Doch bekan­ntlich laufen die Dinge immer anders als gedacht und so kam es im Falle von „augenzeuge.de“, wie es kom­men mußte:
„Sehr geehrte User der VIEW-Foto­com­mu­nity, wir haben die Masse der Fotos, die Sie uns schicken
unter­schätzt und kom­men derzeit mit der Freigabe nicht hin­ter­her. Da ständig neue Bilder ein­laufen, kann es bis Mitte näch­ster Woche dauern, bis wir den Berg abgear­beitet haben. Lei­der wer­den uns extrem viele Fotos geschickt, die nicht zu augenzeuge.de passen. Das ist zum Teil unser eigener Fehler, weil wir vor dem Ver­sand unserer Infor­ma­tion am Dien­stag Fotos auf augenzeuge.de haben erscheinen lassen, die eben­falls nicht zu augenzeuge.de passen. Diese Fotos haben nachvol­lziehbarer Weise viele Nachah­mer motiviert, uns ähn­liches Mate­r­ial zu schicken…“

So wird nun also auch der ser­iöse „Stern“ die Geis­ter nicht mehr los, die er einst rief.