Die Zeugen als Leuchtturm der Moderne
Seit dem 01. April 2019 sind 16 außerordentlich einfühlsame schwarz-weiß ‑Fotografien
von Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald an den Straßen Weimars zwischen Hauptbahnhof und Bauhaus Museum zu sehen. Aufgenommen vom Fotografen Thomas Müller, den die Idee schon seit geraumer Zeit umgetrieben hatte. Noch bis zum 29. September 2019 können Besucher und Bewohner der Stadt diese überlebensgroßen Porträts betrachten.
Besondere Wirkung entfalten jene Aufnahmen auf dem Areal des ehemaligen Gauforums Weimar, welches heute Teil des vielschichtigen Gebäudeensembles des „Quartiers der Moderne“ ist. Jener Ort war in der Zeit des Nationalsozialismus Sitz des „Reichsstadthalters und Gauleiters“, den Mitverantwortlichen für vielfach organisierten Völkermord.
Erstmals stehen nun Fotografien überlebender Zeitzeugen für einige Monate auf dem Platz der Täter. Mittels ihrer persönlichen Schicksale wurde das KZ Buchenwald symbolisch ins Herz des Ortes getragen, der wie kein anderer für Humanismus und Aufklärung steht. Bisher beschränkte sich jenes Gedenken auf historische Jahrestage, meist auf dem Ettersberg weit vor den Toren der Stadt.
Daher liegt es – auch angesichts aktueller medialer Vergangenheitsverniedlichungen – auf der Hand, dass die Schnittstelle zwischen Humanismus und Barbarei ständig verorteter, sichtbarer Teil des Stadtbilds Weimars werden sollte. Mittels einer dauerhaften Installation der Fotografien jener Zeitzeugen an Teilen der Gebäudefassaden des ehemaligen Gauforums. Welche allerdings nicht dekorierend, sondern visuell bestimmend wirken muss.
Dazu sollten alle Aufnahmen der Zeitzeugen in den Flächen der unteren Fensterzeile der Westfassade der ehemaligen „Halle der Volksgemeinschaft“, dem heutigen Einkaufszentrum „Atrium“ in unregelmäßigen Abständen installiert werden. So wird auch die jüngste Geschichte dieses Ortes einbezogen und ein neuer, zwingender Blick über den begrünten Platz des Areals geschaffen.
Zwei große LED-Screens am Turm der Südseite des Areals blenden ständig wechselnde Nahaufnahmen der „Zeugen“ und erweiternde Textinformationen ein. So wird jenes Turmfragment zum mahnenden und zeitgenössisch vermittelnden Leuchtturm des „Quartiers der Moderne“, welcher Vergangenheit und Zukunft des Ortes miteinander vereint.
Als die Chance für ein Novum im Stadtbild der Geschichte Weimars, das seine museale Ambivalenz in die längst fällige Gegenwart trägt.