Lokalkolorit im Mai

Schon seit gefühlten zehn Wochen springt uns der unbeküm­merte Charme des selb­st­ge­bastel­ten Wahlplakates vom Straßen­rand an.
Zur anste­hen­den Kom­mu­nal­wahl geben die lokalen Parteis­trate­gen wieder ein­mal alles, was sie kön­nen oder nicht wirk­lich kön­nen. Denn selb­stver­ständlich muss enthemmt gewor­ben werden.

Ein Rit­ual nach bekan­ntem Muster. Die Kan­di­daten und Kan­di­datin­nen wer­den abge­bildet und mit einem ein­prägsamen Spruch verse­hen. Je nach Parte­icoleur kristallisieren sich dabei rasch die üblichen Verdächti­gen unter den Mach­ern heraus.

Dies­mal über­rascht die lokale FDP Frak­tion mit dem schock­ieren­den Kon­ter­fei eines ziem­lich erschöpften Kan­di­daten. So sieht jemand nach über­trieben kör­per­licher Anstren­gung aus. Aus rein humaner Sorge vor noch größerer zukün­ftiger Belas­tung ist er schon mal gar nicht wählbar. Mehr bizarres Anti – Plakat geht eigentlich nicht.

Da sind die fröh­lichen Grup­pen­bilder der GRÜNEN Partei hoff­nungsvoller. Rest­los überzeu­gend wären die steifen Foto­stu­dio-Schnapp­schüsse allerd­ings erst in frisch ergrün­ter Natur gewesen.

Die Frak­tion der WEIMAR – WERKER fällt wie immer auf. Dies­mal mit durchge­hend schwarzweiss fotografierten Porträts ihrer Kan­di­daten. Old school sozusagen. Auch das Lay­out der Plakate kommt dies­mal schnörkel­los daher und konzen­tri­ert sich ganz und gar auf die Wirkung der abge­bilde­ten Per­so­nen. Das ist her­aus­ra­gend. Klas­sis­cher Real­is­mus wurde als Parteireklame einge­setzt. Eine schöne Idee.

Doch auch die SPD fällt mit ihrer Sichtreklame auf. Ein­er­seits durch Größe und Menge der Plakate. Ander­er­seits durch meist auf­fal­l­end pro­fes­sionell fotografierte Kan­di­daten. Als ob die Agen­tur der Berliner Zen­trale den Weimarer Wahlkampf in die Hand genom­men hätte. Eine Spur zu fremdbestimmt.

Die Parte der Linken ist da prak­tis­cher. Mit­tels großem Wim­mel­bild wer­den die wichtig­sten State­ments via Sprach­blasen kom­prim­iert über­mit­telt. Die Comic-Ref­erenz mag ein biss­chen über­trieben sein, funk­tion­iert aber gut im Aufmerksamkeitswettbewerb.

Fazit: Auch dies­mal wer­den wir bis zum Son­ntag einem aus­ge­sprochen unter­halt­samen visuellen Humus örtlicher Sichtreklame aus­ge­setzt sein.

Der bish­erige Plakatierungsrekord ist an einem Straßen­beleuch­tungs­mast ent­lang der Erfurter Straße zu bewundern:
Da tum­meln sich sechs ange­takkerte Partei ‑Reklametafeln. Von drei bis zehn Meter aufwärts. Das bringt die Angele­gen­heit auf den Punkt.