Therese, träumend
Oder: You Too, unverhüllt. Seit dem Bekanntwerden der sexuellen Übergriffe des US – Filmproduzenten Harvey Weinstein auf junge Darstellerinnen hat die Welle der #Me Too – Bewegung selbstverständlich auch Europe erreicht.
So wurden in den letzten Wochen auch längst fällige Offenbarungen deutscher Schauspielerinnen über einen deutschen Regisseur publik. Neuerdings aufgeladen mit der Vermutung eines sogenannten Schweigekartells des öffentlich – rechtlichen TVs zwecks Vertuschung.
Doch das ist nur eine von mehreren verständlichen Folgeerscheinungen. Fast gleichzeitig wird eine alte Debatte hysterisch neu aufgeladen.
Die gipfelte kürzlich in Pädophilie – Vorwürfen um ein Gemälde. Es stammt von dem französischen Maler Balthus und zeigt ein junges Mädchen beim Ankleiden. »Therese, träumend« nannte es der Künstler. Entstanden war es im Jahr 1938 und ist heute im Metropolitan Museum in New York zu sehen. Allen Ernstes forderte eine Initiative, jenes Bild aus der Ausstellung zu entfernen. Unter dem Eindruck der #Me Too – Debatte.
Neu ist dieser Fall eigentlich nicht. Denn schon vor einigen Jahren entbrannten hitzige Diskussion um das Bild. Im Jahre 2014 cancelte das Essener Folkwang – Museum eine geplante Ausstellung von umstrittenen Polaroid – Arbeitsaufnahmen jenes französischen Malers.
Der Kurator wollte sich nicht dem Vorwurf eines publikumsträchtigen mutwilligen Skandals aussetzen. Eine damals kluge Entscheidung.
Heute allerdings ist die Debatte im Wochentakt zum medialen Durchlauferhitzer für vielerlei benutzerdefinierte Gelegenheiten geworden.
Ab sofort könnte nun jede Halbakt – Darstellung von Frauen, Kindern und Männern unter herbei geredeten Sexismus – Generalverdacht fallen. Egal, ob historisch oder zeitgenössisch.
Gut vorstellbar, wie zukünftig Ballett – Bekleidung junger Tänzerinnen und Tänzer aussehen könnte:
Auftritt womöglich nur noch in farbneutralen, bewegungsfreundlichen Walle – Gewändern.
Vor einigen Tagen hatte US – Schauspielerin Sharon Stone die Frage eines Reporters nach sexueller Nötigung im Hollywood – Filmbetrieb mit einem Lachen beantwortet. Anschließend legte sie nach:
»Ich bin seit 40 Jahren in diesem Geschäft. Können Sie sich das Geschäft vorstellen, in das ich vor 40 Jahren hineingekommen bin? So, wie ich ausgesehen habe?«
Achtung. Hier sprach soeben die Fachfrau.
Doch vielleicht wirft genau jenes Statement ein Licht auf die partielle Verlogenheit, mit der jene Debatte geführt wird.