Vom Hinterzimmer zum Stammtisch

Wer in diesen Tagen an den ehe­ma­li­gen Räum­lichkeiten der örtlichen Bar „Hin­terz­im­mer“ in Weimar vor­bei geht, wird gän­zlich leere Laden­räume vorfinden. Die gehören bekan­ntlich samt Haus einem Mit­glied der AFD, welches seit August äußerst wirk­sam agierte. Von ein­schlägiger Parteien­reklame bis hin zu diversen Stammtis­chen wurde die ganze Klaviatur durchge­zo­gen. Gekrönt von einem Riesen­poster des ersten Kan­zlers des Deutschen Reichs, Fürst Otto von Bis­marck. Inklu­sive his­torischem State­ment an der Hausfront.

Selb­stver­ständlich zog das den massen­haften Protest nicht nur des linken Kiezes, son­dern auch vieler anderer Weimarer auf sich.
Demon­stra­tio­nen gegen die neue rechte Szene waren an der Tage­sor­d­nung. Und auch die Nach­barhäuser zeigten Flagge. Mit Trans­par­enten gegen Aus­län­der­feindlichkeit, den neuen Nation­al­is­mus und die ein­fältige Heimat­tümelei jener Partei. In sturer Regelmäßigkeit markierten Unbekan­nte den Ein­gang der neuen Parteien­bude. Als verd­inglichte wütende State­ments wur­den braune Farbe, Bio – oder Sper­rmüll vor dem Ein­gang der ehe­ma­li­gen Szene – Bar abgelegt. Oder gle­ich mal der abge­tren­nte Kopf eines Wild­schweins. An einer Kette befes­tigt und nur mühevoll zu ent­fer­nen. Zweifel­los die spek­takulärste Aktion mit der größten medi­alen Verbreitung.

Was zur Folge hatte, dass allein die Berichter­stat­tung über jene Ereignisse unfrei­willig zur expliziten Parteien­reklame geriet: Im Selb­st­lauf wurde die Partei zum Polit – Under­dog und Märtyrer.
Ein Klas­siker. Neg­a­tiv – Reklame war schon immer die beste.

Rück­blick­end bleibt festzustellen, dass die AFD auch in Weimar max­i­male Aufmerk­samkeit erre­icht hatte. Das Kalkül geziel­ter Pro­voka­tion im Vor­feld der Wahlen zum deutschen Bun­destag war vol­lends aufge­gan­gen. Gegen­demos und Proteste wur­den effek­tivster Teil ihres Wahlkampfs. Ein teu­flis­cher Automatismus.
Das war clever und nach­haltiger als die üblichen aus­tauschbaren Wahlplakate im öffentlichen Raum. Die hat­ten besten­falls sta­tis­tis­chen Charakter.

Doch nun ist kein einziges Parteien­poster mehr in den Fen­stern des Laden­lokals an der Tri­erer Straße 33  auszu­machen. Selbst das Bis­marck – Kon­ter­fei fehlt. Ebenso kom­mende Veranstaltungshinweise.
Aber wozu auch. Die Örtlichkeit hat ihren Zweck erfüllt.

Nun blickt man in eine leere Höhle, die unheim­lich wirkt. Und mutwillig inhalts­frei an die Tak­tik der ver­bran­nten Erde erinnert.