Was nicht passt…
wird passend gemacht! Das dachten sich offenbar Redaktion und Mitarbeiter des Zweiten Deutschen Fernsehens. So reiste im November 2011 ein Kamerateam der Sendung »Aspekte« nach Jena und begleitete dort den Schriftsteller Steven Uhly. Er ist Sohn einer Deutschen und eines Bengalen und wuchs in Köln auf.
Den Osten Deutschlands hatte er bisher eher selten besucht. Warum auch, es gab nie einen Anlass. Jetzt aber umso mehr:
Erstens hat Steven Uhly einen brisanten Roman über V‑Männer in der rechten Szene geschrieben. Und zweitens passte er prima in die Rolle des Migranten, der sich in der thüringischen Universitätsstadt nicht sicher fühlt. Freilich auch angesichts der Nazi – Terrorzelle, die vor Ort ihre Wurzeln hatte.
Alles weitere erledigten die Medienprofis des ZDF:
Der Gang Uhlys über den Jenaer Paradiesbahnhof wird zum konterkarierenden Ein – und Ausgangsstatement. Da erklärt er schlicht sein Unwohlsein vor Ort. Dann folgen Bilder von dörflichen Neonazi-Aufmärschen und freilich der Dreierpack mit Fotos der Jungnazis. Danach noch zwei Interviews mit einem Aussteiger der Szene und einem mutigen Jugendpfarrer. Anschließend Abspann mit Statement am Paradiesbahnhof.
Das wars dann. In schlappen sechs Minuten gelang es dem ZDF, was sonst mindestens das Zehnfache braucht: Jena als eine saugefährliche und extrem fremdenfeindliche Stadt darzustellen. Wildwest des Ostens deluxe. Ein Angst-Parcours der besonderen Art. Das Überleben gerät zur Mutprobe. Dieser Aspekte – Beitrag reichte aus, alle bisherigen Imagekampagnen Jenas zu torpedieren.
Ganz zu schweigen von den Aktivitäten der lokalen aktiven Anti-Nazi – Szene.
Selbstverständlich hagelte es Proteste von allen offiziellen Seiten. Jenas OB und die Ministerpräsidentin Thüringens insistierten energisch gegen den Beitrag. Daraufhin drückten Aspekte-Redaktion und Steven Uhly ihr Bedauern aus und stellten klar und ruderten zurück. War so nicht gemeint. Der Schriftsteller fühlte sich benutzt, erklärte er kürzlich im Interview. Das stimmt ausnehmend.
Doch weder Podiumsdiskussionen noch Selbstkritik werden das entstandene Zerrbild des braunen Ostens so schnell korrigieren können. Und, ganz nebenbei: Dasselbe könnte besagtes Fernsehteam übrigens auch prima im westdeutschen Solingen produzieren. Oder gleich vor der Haustür, in Mainz – wie es singt und lacht.