www.touristguy.com
Wer auch immer in den letzten Wochen diese Website aufrief, fand dort Bilder, die stets dasselbe anonyme Antlitz eines Globetrotters vor diversen Katastrophen der Weltgeschichte zeigten. Ausstaffiert mit Wetterjacke, geschultertem Rucksack, Sonnenbrille und passender Kopfbedeckung blickt er – posierend wie auf einem touristischen Erinnerungsfoto – in die Kamera. Will sagen: Ich war dabei!
Und so sehen wir ihn vor dem Untergangsszenario der „Titanic“, dem Zeppelinabsturz in Lakehurst oder dem eines Brückeneinsturzes.
Aktuell ist nun das Attentat auf das New Yorker World Trade Center auszumachen, welches noch eine visuelle dramaturgische Steigerung erfährt: So sieht man den geübten Globetrotter auf dem Aussichtsplateau der Twin Towers, während im Hintergrund eines der heranfliegenden Todesflugzuge naht. Ergänzt mit dem Kommentar, dass dieses Foto im Augenblick der Katastrophe aus einem Apparat stammt, der später in den Trümmern besagter Hochhäuser gefunden wurde.
Sogar die Bildmontage wurde bewusst sichtbar gelassen, die Hilfslinien des Bildberarbeitungsprogramms sind um die heranfliegende Boeing noch deutlich zu sehen.
Die Absicht des Ganzen zielt freilich auf das Phänomen des Katastrophentourismus mit dazugehörigem Abenteuereffekt. Die typisierte, anonyme Globetrotter-Figur spricht visuelle Bände und man spürt unschwer, dass die Schöpfer dieses neuen virtuellen Touristenführers nicht nur bildbearbeitungstechnisch, sondern auch geschichtlich fit sind.
Und der beabsichtigte Schneeballeffekt funktioniert erfolgreich, auf vielen Monitoren sah ich bereits das Erinnerungsfoto der Zwillingstürme.
So ist dieses irritierend visuelle Gemisch aus Ironie und Zynismus möglicherweise eines der ersten neuen Folgeerscheinungen des 11. Septembers 2001. Wobei die Tragweite streitbar ist. So könnte dann das nächste „Touristguy-Bild“ möglicherweise aus Afghanistan stammen. Wobei noch die Entscheidung zwischen klassischem Kriegsschauplatz und Kolleteralschaden als Bildhintergrund gefällt werden müsste.
Doch im Moment machen die Schöpfer von www.touristguy.com erstmal Pause.
Stattdessen sind auf ihrer Seite versöhnlich-pathetische Bekundungen gegen den internationalen Terrorismus zu lesen.
Vielleicht auch aus Respekt vor den ganz echten Opfern