Die Zeugen

Seit dem 01. April 2019 sind bekan­nter­maßen 16 außeror­dentlich ein­fühlsame Schwarzweiß – Porträts von Über­leben­den des Konzen­tra­tionslagers Buchenwald

an den Straßen Weimars zwis­chen Haupt­bahn­hof und dem Bauhaus – Museum zu sehen.
Aufgenom­men vom Fotografen Thomas Müller, den die Idee jener Fotografien seit Dezem­ber 2016 umgetrieben hatte. Erste Bilder ent­standen, im Früh­jahr 2017 wur­den einige in der lokalen Tage­spresse veröffentlicht.
Was Thomas zu jenem Zeit­punkt nicht wusste: Der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano arbeit­ete seit 2015 an einem iden­tis­chen Pro­jekt. Er fotografierte Über­lebende des Holo­causts und stellte sie über­lebens­groß in öffentlichen Räu­men entsprechen­der Städte aus. Ähn­lich ein­dringlich, vor schwarzem Hin­ter­grund, allerd­ings far­big. Kurzum: Eine andere visuelle Handschrift.
Seit jener Zeit hat Toscano etwa 400 Per­so­nen aufgenom­men und Ihnen ein visuelles Denkmal gesetzt. „Gegen das Vergessen“ nennt er sein Pro­jekt, welches vom Goethe – Insti­tut gefördert und bis heute weltweit an ver­schieden­sten Orten präsen­tiert wurde.

Im Som­mer 2017 hatte sich jener Fotograf auch an den Inten­dan­ten der Achava – Fest­spiele, Mar­tin Kranz, gewandt und ihm sein Pro­jekt für den Stad­traum Erfurt vorgestellt. Inklu­sive sehr konkreter Visu­al­isierung: Über­lebens­große Pro­träts von Opfern des Holo­caust, präsen­tiert im öffentlichen Raum.
So erzählt es ein Dia­log zwis­chen bei­den in den sozialen Net­zw­erken. Auf der Face­book – Seite des Fotografen kann man ihn noch nach­le­sen. Auf jener von Mar­tin Kranz nicht.
Damals kam die Sache aus ver­meintlichen Kosten­grün­den nicht zustande.
Dafür einige Monate später. Nun allerd­ings mit den Bildern von Thomas Müller. Der wusste jedoch nichts von jener Vorgeschichte. So wer­den nun seine schwarzweiß – Porträts in iden­tis­cher Art der Präsen­ta­tion Luigi Toscanos in Weimar gezeigt. Auf Ini­tia­tive des Inten­dan­ten der Achava – Festspiele.
Seit der Eröff­nung ist die medi­ale Res­o­nanz unge­mein groß. Einige der aufgenomme­nen Zeitzeu­gen wur­den vor ihren Porträts inter­viewt und fotografiert. Selbst die Tagess­chau und andere große Medien berichteten.

Freilich nahm das auch Luigi Toscano wahr und ist nun zurecht verärg­ert. Pla­giats – Vor­würfe an die Weimarer Pro­duzen­ten machen im sozialen Net­zw­erk die Runde.
Und tre­f­fen nun erst­mal den Fotografen. Allerd­ings zu Unrecht.
Stattdessen sollte sich der eigentliche Ini­tia­tor Mar­tin Kranz in demüti­gen­der Beschei­den­heit üben und die Urhe­ber­schaft nachträglich schle­u­nigst klären. Was hätte es ihn gekostet, öffentlich auf die Exis­tenz eines ähn­lichen Pro­jekts zu ver­weisen? Gar nichts. Manche Ideen liegen zufäl­lig eng beieinan­der. Das kann man schnell ver­mit­teln. Wenn man es denn will.
Vor allem, weil genau jenes Thema viel zu sen­si­bel ist, um sich aus­gerech­net mit der Urhe­ber­schaft eines Pro­jekts medi­en­wirk­sam in Szene zu set­zen. Das ist eben nicht nur ver­störend eitel, son­dern aus­ge­sprochen zynisch.
Weil es vor allem diejeni­gen unfrei­willig zu Sta­tis­ten der Selb­st­darstel­lung eines Fest­spielin­ten­dan­ten macht, um die es geht. Die Über­leben­den des Holocausts.