Ausstellung RGB_#100
Uwe Warnke schreibt: Mit Präzision und technischem Aufwand wird hier eine Idee
durchexerziert, die, in der Art wie der Fotograf Claus Bach sie vollzieht, kaum einen besseren Platz hat als diese Stadt: Weimar. Ach ja, werden Sie sagen: Bauhaus. Die wirren Anfangsjahre. Das Suchen. – Vielleicht.
Claus Bach vollzieht genaugenommen etwas nach, nein, er wendet an, was Künstlerkolleginnen und Künstlerkollegen vor 100 Jahren an diesem Ort in klarer Reduktion freiräumten. Was heute so einfach scheint, ist immer noch in seiner Stringenz radikal. Also konsequente Basisarbeit, damals und heute. Wir gehen mit Claus Bachs Bildern durch Weimar und plötzlich werden Räume weiter. Unsere Wahrnehmung, die immer Gefahr läuft einer Täuschung zu unterliegen – ein schlichter Reflex um irgendwie klar zu kommen in dieser Welt, sie sich den eigenen Urteilen und Vorurteilen anzupassen – erweitert sich. Alles nur Licht, alles nur Erscheinung. Das war es eh. Und doch versetzt uns Bach in eine neue Welt. Damit macht der Fotograf, dem ausschließlich mit Licht Arbeitenden, der Fotografie alle Ehre. Licht ist schließlich deren Inhalt.
Diese Fotografien sind wie eine Handreichung, bieten, wer zu sehen versteht, Deutungen. Bekannte Dinge werden anders begreifbar. Sie bieten eine neue Klarheit. „Wenn du das so siehst.“ Genauso! Mehr als nur Ansichtssache. Ich möchte gern vorgreifen und sagen: Einige dieser Ansichten sind ikonografische Bilder. Sie haben ihren Ort, sind Bildlösung, Historie und erklärender Mythos in einem. In ihrer Künstlichkeit verstellen sie uns nicht den Blick, sondern ordnen. Diese Ausleuchtung unserer Welt ist einleuchtend.
Nun haben wir es mit Arbeiten von Claus Bach zu tun. Es kann und sollte uns nicht wundern, dass in der Folge dieser auch Witz, Humor und ein Augenzwinkern das Spiel übernehmen. Dabei stoßen wir auf andere, neue Sachlagen. Wie schon 1999 bei seiner Weimar-Serie zum Europäischen Kulturhauptstadtjahr, legt der Fotograf irritierende Fährten. Anstatt auszublenden blendet er auf. Er entführt uns – „so haben wir Weimar aber noch nicht gesehen“ – und legt dabei mehr als nur eine andere Seite der Medaille offen. Wer sagt, dass sie nur zwei Seiten hat? Wir sind in Weimar und haben eben mit Bach mehr als nur drei Adressen und vier Ansichten, die es abzuhaken gilt. Aber was heißt hier „abhaken“, wenn wir über Inhalte reden?
Bach weiß natürlich auch, dass es mit den Klassikern seine immer wiederkehrende, tragische Bewandtnis hat: sie werden beklatscht, mit Orden behängt, ins Regal gestellt und fristen dort ihren Scheintod, der nur von Jubiläen kurz unterbrochen wird und sie gelegentlich vom Staub befreit. Fremdbeatmung. Davon kann Weimar sicher mehrere Lieder singen. Aber um Leben in die Bude zu bekommen, müssen sie und der Umgang mit ihnen gelegentlich auf den Kopf gestellt werden. Also: Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau? (Thank you, Barnett). Und so kommt schlussendlich Ironie ins Spiel. Sie eröffnet Claus Bach einen neuen, spielerischen Umgang mit seinem Thema. Er schließt dabei den Betrachter nicht aus. Wir sind mit von der Partie.
Claus Bach, dem nicht-gebürtigen Weimarer, ist genau dies möglich, weil ihm die Identität mit seinem Gegenstand, die gern den Blick verstellt oder das Handeln bremst, fehlt. Er hat die nötige Distanz, die den Zugriff ermöglicht.
Claus Bach ist zur Stelle, wenn die Dinge vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden. Ganz selbstverständlich leistet er dazu seinen Beitrag. Und wiedermal erscheint uns einiges in anderem Licht. Fotografien halten es einen Moment lang auf, während es weiter geht und unterwegs bleibt.
Uwe Warnke lebt und arbeitet als Autor, Herausgeber und Kurator in Berlin.