»Alle reden vom Wetter.

Wir nicht“. Mit diesen Worten warb die Deutsche Bun­des­bahn in den sechziger Jahren des let­zten Jahrhun­derts für ihre Zuver­läs­sigkeit und Unab­hängigkeit vom Wet­ter. Unter dem Foto einer schneebe­deck­ten Diesel­lok war der Slo­gan in fet­ten weißen Let­tern auf schwarzem Grund zu lesen.

Und die Ansage wurde fast eins zu eins in die Real­ität umge­setzt. Die Züge fuhren nach Fahrplan und waren richtig pünk­tlich. Sou­verän also.

Heute gilt diese Kam­pagne als die erfol­gre­ich­ste der Bun­des­bahn. Zumal ihr Spruch ver­schieden­ste Abwand­lun­gen in andere Werbe-Aktio­nen wie Autorekla­men, Finan­zan­la­gen und  Cur­ry­wurst­bu­den erfuhr. Selbst der Sozial­is­tis­che Deutsche Stu­den­ten­bund nutzte den Slo­gan 1968 für sein wohl berühmtestes Plakat: Anstelle der ver­schneiten Lok waren die drei Politköpfe Marx, Engels und Lenin auf selb­stver­ständlich rotem Grund abgebildet.
Die Deutsche Bun­des­bahn spielte eine Vor­re­it­er­rolle in Sachen Orig­i­nal­ität, Wer­bev­er­sprechen und dessen realer Umsetzung.

Das mag man heute kaum mehr glauben. Im zeit­genös­sis­chen Licht erscheint die alte Kult-Kam­pagne fast surreal.

Denn nahezu alle Aktiv­itäten des teil­pri­vatisierten Verkehrsträgers haben sich in ihr bizarres Gegen­teil ver­wan­delt: Die Jahreszeit zwis­chen den natür­lichen Wet­ter­pla­gen Win­ter und Som­mer heißt im Volksmund nur noch „Lok­führerstreik“.

Für andere Pan­nen bedi­ent man sich immer gern der tech­nis­chen Phänom­e­nolo­gie: Von Fahrplanän­derun­gen bis hin zu ersat­zlosen Aus­fällen diverser ICE-Verbindungen.

Fehlende Neigetech­nink heißt der Buden­za­uber nun für den Kul­tur­stan­dort Weimar. Kop­pelt ihn vom Fer­n­verkehr ab. Ein irres Ding.

Vor noch gar nicht allzu langer Zeit wär der Bahn noch was einge­fallen angesichts der Rel­e­vanz des Ortes. Vielle­icht mal eine unter­stützende tech­nis­che Aufrüs­tung.

Jetzt aber erscheint sie wie ein altes DDR-Tele­fon: Geht nicht, gibt’s nicht. Basta.

Und eigentlich müsste „Die Bahn AG“ alle kom­menden Aktio­nen der Weimarer Bürger für den Halt sämtlicher ICE-Züge im örtlichen Haupt­bahn­hof gebührend honorieren:

Als ob das Unternehmen eine Wer­beagen­tur beauf­tragt hätte. 

Eine bessere Neg­a­tiv-Reklame kann es gar nicht geben. In umgekehrter Erin­nerung an ver­gan­gene Zeiten, ver­steht sich.