Alternativlos

Ein stil­isierter Zeigefin­ger auf weißem Grund zeigt in Rich­tung Betra­chter. Darüber der Schriftzug „Geh wählen!“. Darunter sind zwei Zahlen­beispiele auszumachen:
100 Wahlberechtigte: 75 gehen hin. Drei wählen AFD. Ergeb­nis: 4,0 %. Anschließend ein weit­eres Exem­pel: 100 Wahlberechtigte: 50 gehen hin. Drei wählen AFD. Ergeb­nis: 6,0 %.

Vielle­icht ist jener Aufruf zur Teil­nahme an den Wahlen zum deutschen Bun­destag der Ein­dringlich­ste. Verdeut­licht er doch auf sim­pel­ste Art die Risiken und Neben­wirkun­gen kom­plet­ter Wahlverweigerung.

Auch auf die Gefahr hin, dass die Sache eine gewisse agi­ta­torische Pen­e­tranz aufweist, welche bisweilen in Über­druss mün­den kann.

Der­weil kur­sieren noch andere Wahlaufrufe im Netz. So wirbt der promi­nente Fotokün­stler Wolf­gang Till­mans mit sieben far­bigen Foto­plakaten für die Angele­gen­heit. Die sind zwar mehr illus­tra­tiv und set­zen ganz auf die Wech­sel­wirkung zwis­chen Fotografie und Text. Wahlweise kann man sie als Print­ver­sion oder als Beitrag in diversen Net­zw­erke ver­bre­iten. Selb­stver­ständlich ist der Inhalt eindeutig.
Die weiß gehal­tene Head­line „Nicht wählen ist nicht neu­tral“ prangt auf einer grün­lichen Makroauf­nahme, welche diverse schwär­zliche Keime aufweist. Oder: „Son­ntag ist super. Zum Feiern und zum Wählen“ zeigt einen Par­tykeller mit Szenepublikum.
Und, vielle­icht am tre­f­fend­sten: „Mach mit bei der Wahl. Sonst entschei­den andere für Dich“ vor unschar­fen far­bigen Streifen. Freilich ist das alles recht blu­mig und spielt die Sache in alltäglichen visuellen Andeu­tun­gen durch.

Da wün­schte man sich fast einen John Heart­field mit seinen drastis­chen Fotomon­ta­gen der frühen 1930iger Jahre zurück. A pro­pos: Bildliche Analo­gien zu jener Sit­u­a­tion wabern freilich auch alarmistisch durchs Netz.

Wesentlich tre­f­fender ist allerd­ings der ani­mierte Stop Motion Kurz­film mit dem Titel „Die apoka­lyp­tis­chen Nichtwäh­ler und ihre Folgen“
Pro­duziert wurde er von den Zwill­ings­brüdern Fred­erik und Ger­rit Braun, den Eigen­tümern und Betreibern der Mod­elleisen­bahn – Attrak­tion „Miniatur Wun­der­land“ in der Ham­burger Speicherstadt.
In knapp drei Minuten wer­den sämtliche windel­we­ichen State­ments der ordinären Nichtwäh­ler durchge­spielt und deren direkte Fol­gen für die Demokratie als Hor­ror – Szenario dargestellt:
Straßenkrawalle, bren­nende Häuser, Autos wer­den von einer braunen Schlamm­flut wegge­spült, und später steht ein Atom­pilz am Horizont.
Besagter Kurz­film löst seit Tagen Kon­tro­ver­sen aus. Und bleibt samt brisan­tem Inhalt im Gespräch.
Im Abspann des Streifens ist das State­ment der Pro­duzen­ten zu lesen:
„Nie­mand hat uns gebeten, dieses Video zu drehen. Wir haben es ein­fach gemacht. Es ist unsere Mei­n­ung. Wir wollen damit die Wahlbeteili­gung erhöhen und unsere Demokratie stärken. Wenn’s Dich berührt hat, dann teile es.“

Voilà. Kom­pli­ment. So geht Wahlbeteili­gungs – Wer­bung auch.
John Heart­field hätte seine Freude daran gehabt.

https://www.youtube.com/watch?v=XCjsR6ztUF0