Brillo kocht

„Die Häuser sollen denen gehören, die drin wohnen!“ Dieser Spruch war vor etwa 28 Jahren an diversen beset­zten Gebäu­den zu lesen. Speziell im rechts­freien Zwis­chen­raum der Wen­dezeit wurde diese Parole beson­ders in Ost­deutsch­land gelebt.
Zuerst erkun­dete man ein leer­ste­hen­des Haus. Danach ver­schaffte man sich Zugang und zog ein. Noch ein neues Schloss einge­baut, einen Briefkas­ten mit Namen ange­bracht, und fer­tig. Je mehr neue Mit­be­wohner nach­zo­gen, desto besser. Wenn sich der Eigen­tümer meldete, ver­han­delte man und einigte sich irgend­wie. Temporär.
Diese Tat­sachen schufen damals auch junge Zeitgenossen in Weimar. Im März 1990 beset­zten sie das Haus in der Ger­ber­strasse 3. Ein Brand im Erdgeschoss hatte es unbe­wohn­bar gemacht, die restlichen Eta­gen waren noch einiger­maßen in Schuss. Rasch war das Objekt pro­vi­sorisch aus­gebessert, bezo­gen und belebt.
Und selb­stver­ständlich gehörten Konz­er­traum und Kneipe dazu. Ger­ade let­ztere wurde das Sam­mel­becken für Nachtschwärmer unter­schiedlich­ster sozialer Couleur. Also ein buntes Haus im anson­sten noch grauen Bild der Kul­turstadt. Kult.
Auch die Haus­be­sitzerin im Westen spielte mit und über­ließ ihr Objekt den „Jun­gen Leuten“. Allerd­ings musste ein Nutzungskonzept mit Verein her. Allein schon, um den Dauer­stress mit Nach­barn und Stadtvätern einzudämmen.
So ließen sich nun auch pro­jek­t­be­zo­gene Fördertöpfe anzapfen.
„Haus für Soziokul­tur e.V.“ war der kle­in­ste gemein­same Nen­ner. Eine schwere Geburt im Dauer­streit der Beset­zer. Er fasste alle Aktiv­itäten zusam­men, die sich mit dem Engage­ment für alter­na­tive Jugend­kul­tur ver­ban­den. Rück­blick­end war das der entschei­dende Schritt zur Akzep­tanz des Hauses. Machte er doch nun Aktiv­itäten wie Kinder­laden, Fahrrad­w­erk­statt, das Kino „Film­riss“, Konz­erte inklu­sive dem Ton­stu­dio „Wun­der­bar“ möglich.
Und auch parteipoli­tisch – gebun­dene Pro­fil­ierun­gen wie die der jet­zi­gen Bun­deskan­z­lerin Angela Merkel waren drin: In Form einer Scheck-Über­gabe für die Fuß­bo­den­heizung der Kneipe im Jahre 1992. Aus­gerech­net. So gin­gen die Jahre ins Land. Die Benutzer – Gen­er­a­tio­nen wech­sel­ten, Aktion­is­ten gin­gen und kamen.
Einer von ihnen kan­di­dierte auch schon mal im Jahr 2000 zur Oberbürgermeisterwahl.
Irgend­wann wur­den die ABM-Stellen gekürzt. Irgend­wann fehlte das Kino. Irgend­wann sind aus Beset­zern tem­poräre Bewohner gewor­den. Doch die vergessen das Jubiläum Ihres Hauses nicht und feiern die Angelegenheit.
Einer der Höhep­unkte soll die „3 Gen­er­a­tions – Party am 23. März wer­den. Bespielt von den Alt­punkern der Band „Küchen­s­pi­one“ und Ur – Küchen­mut­ter „Brillo“.
So ist die „Ger­ber“ Im 28. Jahr ihres Beste­hens zum fes­ten Bestandteil der örtlichen All­t­agskul­tur geworden.
Es hätte auch anders kom­men können.