Der Stadtchronist
Am 09. November 2018 tauchte in den sozialen Netzwerken eine Fotostrecke der besonderen zeitgeschichtlichen Art auf. Sie zeigt Szenen während der Reichspogromnacht vor 80 Jahren. Bisher kannte man die Aufnahmen brennender Synagogen und jüdischer Geschäfte.
Nun allerdings sind Dokumentarfotografien aus den Privaträumen einer jüdischen Familie zum Zeitpunkt jener „Kristallnacht“ aufgetaucht. Auf knapp zehn schwarz weiß – Aufnahmen ist die Zerstörung Ihrer Wohnung in der bayerischen Stadt Fürth zu sehen: Die Inneneinrichtung wird komplett von den SA – Männern verwüstet, Bücher aus Regalen und Schränken gezerrt. Minutiös ist zu sehen, wie das große Sofa aufgeschlitzt und Mobiliar zertrümmert wird. Stapel von großen, in Leder gebundenen Büchern werden von etwa zehn Männern geschäftig aus der Wohnung getragen. Aber auch einige Angehörige der Familie wurden aufgenommen. Offensichtlich hat man sie aus ihren Betten gezerrt und exemplarisch für die Fotos zur Schau gestellt. Im Nachtkleidung, mit schief aufgesetztem Hut und so weiter. Ein paar Aufnahmen später sind andere verprügelte jüdische Familien in Arresträumen zu sehen. Teilweise ebenfalls noch im Schlafanzug und Bademantel.
Eigentlich dachte man ja, vieles zu kennen und sich den Rest dann schon irgendwie vorstellen zu können. Aber in einer derartig realistischen Darstellung vermittelt sich das schockierende Gefühl unmittelbarer Augenblicklichkeit. Dabei existieren jene Aufnahmen nur in abstrahierendem schwarz weiß.
Doch die außerordentlich routinierte Brutalität jener Momente wirkt verstörend nah.
Und genau das ist das Besondere.
Die Fotografien stammen größtenteils vom damaligen Stadtchronisten Fürths, Fritz Wolkenstörfer. Fürth Wiki vermerkt dazu lapidar:
„Fritz Wolkenstörfer (geb. 1903, gest. 1978) war von Beruf Fotograf und ein bekannter Stadtchronist…Er fotografierte unter anderem die einzig heute noch erhalten gebliebenen und bekannten Bilder des Synagogenbrands in Führt zur Reichspogromnacht am 09. November 1938.“