Die Holzdorf Alben

Als ich nach langer Zeit den Hof des Landguts Holz­dorf betrat, erin­nerte ich mich
sofort an die unmit­tel­bare Ver­gan­gen­heit des Are­als. Zu DDR- Zeiten beherbergte es das Kinder­heim „Erich Wein­ert“, in dem Kinder aus milieugeschädigten Fam­i­lien und Waisen zur Schule gin­gen und vor Ort lebten. Jenes Schulkom­bi­nat mit angeschlossener Poly­tech­nis­cher Ober­schule galt als päd­a­gogisch- ide­ol­o­gis­ches Vorzeigeob­jekt. Vor allem bezüglich des ehe­ma­li­gen Besitzers Dr. Otto Krebs fand hier die Losung „Her­ren­land in Volkes Hand“ ihre Umset­zung. Im Jahre 1978 sollte eine über­große Porträtze­ich­nung des sow­jetis­chen Päd­a­gogen- Vor­bilds Anton Semjonow­itsch Makarenko fotografiert wer­den. Sie war fest an einer hohen Wand in einem der Häuser angebracht.
Heute wird jene Zeit in der Chronik des Landguts Holz­dorf zwar erwähnt, aber fast keiner weiß, was sich in diesem Abschnitt von knapp dreißig Jahren ereignet hat.
Recherchen förderten sechs Fotoal­ben der Jahre 1967 bis 1984 zu Tage. Erstaunlicher­weise wussten selbst ehe­ma­lige Mitar­beiter des Kinder­heims nichts von der Exis­tenz dieser Alben. Offen­bar wur­den sie vor aus­ge­suchtem Pub­likum präsen­tiert und waren zur Archivierung gedacht. Liebevoll im gängi­gen Wandzeitungslay­out gestal­tet, sagt dieses Mate­r­ial viel über die Sit­u­a­tion im Kinder­heim aus und steht exem­plar­isch für die dama­lige Erziehungspoli­tik der DDR. Fast jede Bil­dungs- und Pro­duk­tion­sein­rich­tung war mit ähn­lichem Mate­r­ial bestückt. Vom „Grup­pen­buch“ in den Schulen bis hin zum „Brigade­tage­buch“ in den Betrieben. Wie so vieles wirken jene Alben heute merk­würdig aus der Zeit gefallen – die aus­tauschbaren Pro­pa­gan­da­parolen tun ihr übriges.
Denkt man sich aber jene beim Anschauen weg, wird auch ein berühren­der Stolz über eigene erre­ichte Entwick­lun­gen und Leis­tun­gen hin­ter der Fas­sade der Polit­phrasen spürbar.
Alle Alben wur­den als klas­sis­che Diashow entwick­elt. Schwer zu sagen, ob damit die Infor­ma­tion­slücke eines Zeitab­schnittes von 30 Jahren geschlossen ist. Vor allem für ehe­ma­lige Schüler/innen dieses Heimes, deren Erin­nerung an Holz­dorf vielle­icht gar nicht immer so rosig aus­ge­fallen sein mag. Die Diashow kann täglich im Hof des Landguts an einem Fen­ster der Fas­sade des ehe­ma­li­gen Schul­ge­bäudes bis zum 31. Dezem­ber 2021 ange­se­hen wer­den. Wer es sich ein­facher machen möchte, kann sie auch im Netz unter www.legende-holzdorf.de/ betrachten.

Ausstel­lungs­dauer: 06. Juni bis 31. Okto­ber 2021
Ein Pro­jekt der BUGA – Außen­stelle Holzdorf