Diverse Momentaufnahmen

Als Ronald Pofalla am let­zten Woch­enende auf der CDU-Dialog­tour auch vor dem Goethe­haus am Frauen­plan in Weimar Sta­tion machte und das Reden eher den bekan­nten lokalen Parteigrößen vor über­sichtlicher Men­schen­menge über­ließ, brachte er neben den reg­ulären Werbedruck­sachen auch eine ganz beson­dere mit: Ein unschein­bares Port­fo­lio, beste­hend aus her­aus­trennbaren schwarzweiss-Postkarten, wirbt unter dem Titel  „Farbe beken­nen. Mit­glied wer­den“ mit Kon­ter­feis aus der Ver­gan­gen­heit achtzehn führen­der Parteigrößen, und die haben es in sich:
Den Anfang macht Dr. Angela Merkel mit einem Foto aus den frühen neu­niziger Jahren des vorigen Jahrhun­derts. Zu sehen ist sie konzen­tri­ert tele­fonierend – mit typ­isch klo­bigem Handy, daneben Ihr tre­f­fender Kom­men­tar: „Wir haben ein­fach ein Faible für Quere­in­steiger“. Ein schöner Einstieg.
Skur­ril wird es dann auf der näch­sten Seite: Ronald Pofalla bezieht offen­sichtlich als Zivil­dien­stleis­ten­der ger­ade ein Bett – zu sehen ist er dabei mit Basken­mütze, lan­gen welli­gen Haaren und Reißver­schlußpullover. Nach dieser Abbil­dung würde er glatt als zeit­genös­sis­cher sym­phatis­cher Öko durchge­hen, genauso wie sein Wahlspruch: „Unsere Motive sind vielfältig“. Das glatte Gegen­teil seiner jet­zi­gen Erscheinung.
Ganz anders liegt die Sache allerd­ings bei Dr. Anette Schawahn, der amtieren­den Bun­des­bil­dungsmin­is­terin: Vor häus­licher Gar­dine fotografiert, schaut uns die Klassenbeste aus der 12. an, vom Ehrgeiz durch­drun­gen. Das unter­stre­icht auch Ihr selb­st­gewählter Moti­va­tion­skom­men­tar: „Für alle, die schon immer was im Kopf hat­ten, haben wir immer ein Ohr.“ Kein Kommentar.
Das Blut gerinnt allerd­ings, wenn man in das Antlitz eines etwa dreißig Jahre alten Dr. Wolf­gang Schäu­ble blickt: Hier wurde der Arche­ty­pus des Stre­bers schlechthin abge­bildet – höflich, durch und durch kor­rekt, aber eiskalt schaut der Bun­desin­nen­min­is­ter drein, und sein Kom­men­tar ergänzt die Sache noch: „Men­schen, die große Her­aus­forderun­gen auf sich nehmen, nehmen wir am lieb­sten auf“
Die Reihe setzt sich noch ähn­lich tre­f­fend fort: Ein flap­sig wirk­ender katholis­cher Fir­mant alias Dieter Althaus beruft sich auf Erich Käst­ners bekan­nten Moral-Apho­ris­mus, eine attrak­tive, kar­ri­ere­be­wußt strahlende Ursula von der Leyen steht an der Seite Ihres Vaters Dr Albrecht, dem ehe­ma­li­gen CDU-
Min­is­ter­präsi­den­ten Niedersachsens.
Und was sagt uns das? Hier ist der PR-Stab der CDU zur ausseror­dentlichen Hochform aufge­laufen und hat die Konkur­renz weit hin­ter sich gelassen. Kom­pli­ment! Denn mit dieser his­torischen Por­trait­serie sind unge­mein aus­sagekräftige Psy­chogramme der gegen­wär­tig agieren­den CDU-Führungsriege ent­standen. Vor allem dann, wenn sie täglich medial auftreten und man noch das jew­eilige per­so­n­en­be­zoge Bild aus früheren Tagen im Kopf hat.