Eins zu eins

»Je weißer der Kör­per, desto schöner.« Das schreibt der Pio­nier der Arche­olo­gie, Johann Joachim Winckelmann.
Die junge Weimarer Kün­st­lerin Car­olin Gasse hat sich mit ihrer Reflex­ion auf das Werk Winck­el­manns genau an diesem Satz zeit­genös­sisch gerieben. Auf Ein­ladung der Klas­sik­s­tiftung Weimar.
Zu sehen sind hochfor­matige, far­bige Detailauf­nah­men eines men­schlichen Kör­pers, welcher zuvor mit Puder bedeckt wurde. Es ent­standen äußerst kün­stliche Bilder. Frag­men­tarische Auf­nah­men eines Auges mit brauner Iris, des Details einer Hand, der Lip­pen und des Ohres.
„Con­tur & Con­tenu“ nennt sie ihre Arbeit. Zu deutsch heißt das Kon­tur und Inhalt.
So arbeitet sie sich am Schön­heit­sideal der Antike ab, indem sie es seziert und wörtlich visu­al­isiert. Fast mit dem Blick eines Forschers.
Sie selbst schreibt dazu: „Die weiße Farbe steht im Kon­trast zur Far­bigkeit des Kör­pers und schafft es doch nicht, die Struk­tur der Haut zu übertünchen. Nichts was lebendig ist, ist nur weiß. Den Kör­per­bau als Ganzes braucht es nicht, der ist auch heute noch belastet durch Schönheitsideale.“
Doch anders als üblich zertrüm­mert die Kün­st­lerin nicht jenes antike Ideal, son­dern überträgt es eins zu eins in die Gegen­wart. Dabei ver­stört der Anblick jener Bildfragmente:
Das mag ein­er­seits an ihrer kün­stlichen Wirkung liegen. Hier wurde mutwillig dick aufge­tra­gen. Und zwar der­art über­trieben, dass es abstoßend und zugle­ich anziehend wirkt.
Ander­er­seits ver­leiht jene Ambivalenz der Arbeit eine unheim­liche Sinnlichkeit.
Denn würde man nicht ins leuch­t­ende Antlitz jener braunen Iris blicken, kön­nten auch hier Teile eines bere­its toten Kör­pers zu sehen sein. Für die Ewigkeit konserviert.
Dabei entwick­eln die aufgenomme­nen Details ein sin­istres Eigenleben.
Von den kleinen Fältchen der Hand­fläche, ihren Poren bis hin zu den roten Lippen.
Als ob eine antike Plas­tik lebendig wer­den würde.
Offen bleibt allerd­ings, wie der gesamte Kör­per aussieht.
So gelingt es Car­olin Gasse, die Auswüchse eines enthemmten ver­gan­genen Schön­heit­sideals in die Gegen­wart ein­fließen zu lassen.
Alles weit­ere ist dann Sache unserer Vorstellungskraft.
Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt.