Vom Torso zum KIssen

Auch zur diesjähri­gen Ausstel­lung in Neuen Museum lud die Klas­sik­s­tiftung Weimar wieder junge Kün­stler zur zeit­genös­sis­chen Reflex­ion ein.
Dieses Jahr wird der Begrün­der der mod­er­nen Archäolo­gie vorgestellt:
Johann Joachim Winckelmann.
Den nun­mehr vierten Beitrag hat die Kün­st­lerin Anne Krausz geschaf­fen. Dabei hat sie Winck­el­manns Früh­schrift „Gedanken über die Nachah­mung der griechis­chen Werke in der Malerey und Bild­hauerkunst“ als Rei­bungspunkt ausgewählt.
Und sich dabei auf seine Auf­fas­sung soge­nan­nter „Ide­al­is­tis­cher Schön­heit“ konzen­tri­ert: Der Exzen­trik und Ver­spieltheit stellt er seine Idee der „edlen Ein­falt“ und „stillen Größe“ gegenüber.
Genau jene For­mulierun­gen hat Krausz nun fotografisch wörtlich genom­men. Indem sie einen männlichen nack­ten Kör­per „gle­ich dem Torso von Belvedere“ ana­log far­big fotografierte. Der galt für Winck­el­mann als eines der let­zten vol­lkomme­nen Werke der griechis­chen Antike.
Anschließend wurde das fotografierte Akt­bild dig­i­tal­isiert und mit­tels Kalei­doskop – Fil­ter der­art ver­fremdet, dass ein rät­sel­hafter Torso entstand:
Zu sehen ist eine Art fleis­ch­far­benes Kissen mit rötlichen abgerun­de­ten Ecken, an deren vier Enden jew­eils grün­lich – bläuliche Stachel auszu­machen sind. Selbst die Kör­per­be­haarung ist noch zu erkennen.
Vor schwarzem Hin­ter­grund ist so ein irri­tiern­des Gebilde ent­standen, das nichts anderes als einen deformierten Kör­per zeigt. Doch der hat es in sich. Denn er sieht wie die Visu­al­isierung eines Mikroor­gan­is­mus aus. Oder eines frem­dar­ti­gen einzel­li­gen Lebewesens.
Man kriegt es nicht raus. Das Geheim­nis bleibt und macht neugierig.
Die Kün­st­lerin liefert dazu ihre ganz eigene Interpretation:
„Was blieb ist der deformierte Kör­per, der wiederum ein Ver­lan­gen nach Schön­heit auslöste.“
Was dabei nicht zuletzt der Tech­nink des Kalei­doskopes geschuldet ist. Denn die war bere­its in der Antike bekannt und bedeutete nicht mehr als „schön sehen“.
Gemeint sind damit freilich jene sym­metrischen bun­ten Mosaiken, die wir als Kinder so gerne durch eine kleine Pap­pröhre betra­chtet heben. Schüt­telte man sie, enstanden sofort neue Muster. Ihre Sym­me­trie ließ sie stets schön ausse­hen. Sie machte süchtig nach immer neuen bun­ten Splitterbildern.
Jene Erfahrung hat Anne Krausz nun wun­der­bar durchtrieben in die Winkel­mannsche Schön­heit­skat­e­gorie ein­sick­ern lassen.
Und genau das ist das Besondere.
Besagtes Bild ist im Blog der Klas­sik­s­tiftung vom 04. Mai 2017 zu betrachten.