GAZA-SHOOTING

Vor­sicht – so heißt kein Com­put­er­spiel, son­dern die bizarre Beschrei­bung einer ganz realen Sit­u­a­tion im gegen­wär­ti­gen Krieg zwis­chen Israel und der Hamas. Und sie kön­nte schon mal alle Chan­cen haben, vorab zum Unwort des Jahres 2009 gekürt zu werden.

Etwa hun­dert Jour­nal­is­ten, Kam­er­amän­ner und Fotografen berichten näm­lich alle über das Kriegs­geschehen von einem kleinen Hügel aus, der sich etwa zwei Kilo­me­ter von der Grenze zum Gaza­s­treifen befindet und eine Ansicht auf das Kampfge­biet ermöglicht. Weiter dür­fen sie aus Sicher­heits­grün­den nicht.

Dieser Sit­u­a­tion geschuldet hat sich unter den Akteuren der geflügelte Begriff „GAZA-SHOOTING“ entwick­elt – eine neue dop­pelsin­nige und außeror­dentlich zynis­che Ableitung des umgang­sprach­lichen „Foto­shoot­ings“ – welches heute für diverse Arten alltäglich insze­nierter und doku­men­tarischer Bil­daufze­ich­nung steht.
Doch wer kann es Ihnen auch verdenken:
Auf kle­in­stem Raum steht die inter­na­tionale Kriegs­berichts-Armada Kam­era und Mikro­fon bei Fuß und soll nun aus der Ferne die Weltöf­fentlichkeit über die Kampfhand­lun­gen informieren.

„Eigentlich sieht man gar nichts, wir wis­sen auch kaum etwas über Kriegsver­lauf und Opferzahlen“
Diese Worte eines deutschen Jour­nal­is­ten vor Ort charak­ter­isieren die Situation.

Und so sitzen alle Fernse­hteams auf dem zum »Hügel der Schande« avanciertem Areal und lauern kom­mender Ereignisse.
Freilich kön­nten sie ihr Mikro­fon jed­erzeit den „Spokesper­sons“ hin­hal­ten – das sind die Press­esprecher des israelis­chen Aussen­min­is­teri­ums, der Armee oder diverser religiöser Grup­pen – und bekä­men dann viel­sprachig per­fekt vor­beit­etete Informationsretorten.

Aber darauf verzichten die meis­ten und gehen Konkur­renz bed­ingt eigene Wege wie die der Kom­mu­nika­tion per Funk mit eini­gen Kol­le­gen im Gaza­s­treifen. Dort wiederum rüsten sich immer mehr Zivilis­ten mit Cam­cordern aus, um die israelis­chen Angriffe und deren Opfer zu dokumentieren.

Und es macht sich unter den Jour­nal­is­ten ein Berufs bed­ingter Zynis­mus breit, wie der Schweizer Jour­nal­ist André Marty kür­zlich beschrieb: „Kommt ein amerikanis­cher Fotograf vor­bei und fragt, wo denn die Toten seien. Johlt eine rus­sis­che Fernse­hcrew ob eines bluti­gen Steaks, „Filet Hamas“ nennt der Russe sein Essen.“

Prost Mahlzeit. Da wird es im Fernsehses­sel richtig unangenehm.
Bis zur Näch­sten Live-Schalte.