Nichts dazugelernt

…haben offen­bar die PR-Strate­gen der Fir­men „Tchibo“ und „Esso“. Sie nutzten den bekan­nten, von den Nazis im KZ Buchen­wald bei Weimar miss­brauchten Spruch „Jedem das Seine“ für das Plakat Ihrer neuesten gemein­samen Kam­pagne für eine grosse Kaf­feeauwahl in den betr­e­f­fenden Tankstellen.
Da hilft auch nicht, dass der Spruch in „Jedem den Seinen“ abge­wan­delt wurde.

Was aber immer deut­licher wird, ist die völ­lig enthemmte geschichts­freie Nutzung von Zitaten und Aussprüchen durch die Cre­ative Direk­tors der Werbebranche.

Selb­stver­ständlich geht es immer um wirkungsvoll­ste Reklame im Rah­men des zeit­genös­sis­chen Hochleis­tungswet­tbe­werbs. Und da muss jedes Mit­tel mehr als recht sein.
Und wenn es sich dann noch mit einem Skan­dal wie diesem verbindet, wer­den auch gle­ich die kri­tisieren­den Jour­nal­is­ten effek­tiver weise Teil der Kampagne.

Bleibt offen, ob dieses unter­stel­lende Kalkül nun wahr oder erfun­den ist. Wahr ist jeden­falls, dass der ursprünglich römis­che Ausspruch „Jedem das Seine“ in den let­zten 12 Jahren schon öfters gern genom­men wurde.

Hier die Verwendungschronik:

1997 warb damit erst­mals die Firma „microsoft“ für Bürosoftware.
1998 nutze der Konz­ern „NOKIA“ den Ausspruch.
1999 warb damit das Nahrungsmit­telun­ternehmen »Rewe« für Grillzubehör.
1999 wurde der Spruch Titelzeile des Falt­blatts der Erfurter „Burger King“-Filiale:

2001 avancierte der Spruch zur Über­schrift einer Wer­beak­tion der Münch­ner „Merkur-Bank“.
2001 ließ sich auch die deutsche Telekom nicht lumpen und titelte „Jedem das Seine“ in einer ihrer Werbebroschüren.

Befragt nach den Ursachen, winden sich die Akteure meist wie die Aale und üben sich in Unwissenheit.
Man hätte „das nicht gewusst“ oder „könne nicht ver­ste­hen, dass die Ver­gan­gen­heit so hochge­spielt wird“ und so weiter. Dann fol­gen Bereu­ungs-Rit­uale inclu­sive selb­stver­ständlichem Stopps betr­e­f­fender Aktion.

Doch offen­sichtlich wird in der Branche der kri­tis­che Ver­weis auf den Miss­brauch diverser Nazi-Sprüche eher als eine Art lästige Zen­sur durch ver­bildete Intellek­tuelle und Jour­nal­is­ten gesehen.
Anders jeden­falls ist die immer währende Benutzung des KZ-Spruchs nicht mehr zu erklären.

Schlichte Recherche-Faul­heit und Intellek­tuelle Ein­falt wird mit Kreativ­ität verwechselt.

Und so ist es sicher nur eine Frage der Zeit, bis wir „Jedem das Seine“ als Titelkam­pagne für eine Lebensver­sicherung in unserem Briefkas­ten finden werden.

Immer offen für neue Horizonte.