Gemütliches Beisammensein

Die räum­liche Dis­tanzierung wird in unseren pan­demis­chen Zeiten neuerd­ings immer gern als social distancing

medial kol­portiert und meint freilich die Dis­tanz zwis­chen Men­schen zur Ver­mei­dung eventueller Tröpfcheninfektionen.
Doch jener cool klin­gende Begriff verz­errt Absicht und Sinn. Impliziert er doch absolute soziale Dis­tanz. Will heißen totale Iso­la­tion, Zer­störung jedes gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Sehr genau genom­men wäre nun jeder und jede ganz auf sich selbst zurück gewor­fen. In gewis­sem Sinn mag das bisweilen sogar zutr­e­f­fen. Was passiert, wenn es keine Par­ties, keine Ver­anstal­tun­gen, kein gemütliches Beisam­men­sein und der­gle­ichen gibt? Was fängt man mit sich an, sobald die alltägliche ver­meintliche Fremdbes­timmtheit wegfällt?

Und sofort lan­det man in exis­ten­tial­is­tis­chen Gefilden. Wer bin ich, was fange ich mit mir an und so weiter.

So bemühten in jüng­ster Zeit auch einige TV – Kom­mentare gern den berühmten Roman „Die Pest“ des Schrift­stellers und Philosophen Albert Camus. Darin schildert der Autor gemein­sames sol­i­darisches Agieren vieler Men­schen während der damals im nordafrikanis­chen Oran grassieren­den Pest. Getrieben durch fast irra­tionale Hoff­nung in dunkel­sten Momenten.

Auf­fäl­lig ist schon, dass jene beschriebene Zeit der unseren dur­chaus ähn­lich ist. Und auch die Kon­squen­zen, wenn man so will. Denn freilich erset­zen Online – Par­ties, Konz­erte und der­gle­ichen niemals direk­tes gemein­schaftliches Erleben. Aber sie kön­nen dur­chaus Inspi­ra­tion auslösen.

Ganz konkret war das bei der diesjähri­gen Ver­lei­hung des Deutschen Film­preises auszu­machen. Mod­er­a­tor Edin Hasanovic agierte allein in einem leeren Stu­dio vor vier Lein­wän­den der­art erfrischend, dass man das Pub­likum nicht für einen Moment ver­mis­ste. Selbst die bisweilen einge­spiel­ten ruck­e­li­gen State­ments der Preisträger machten jene keim­freie TV – Gala noch lebendi­ger. Dur­chaus kön­nte jener impro­visierte Abend das Zeug für ein neues zukün­ftiges For­mat haben.

Aber auch vor Ort wer­den neue Konzepte entwick­elt. Der Verein „Alte Feuerwache e.V.“ ist im Begriff, ein erstes Autokino in Weimar zu instal­lieren. Hof­fentlich wird das bald was. Damit nicht alle im Pri­vaten end­los vor sich hin muffeln.

Ach ja: Freilich muss der exakte tröpfchen­in­fek­tions – ver­hin­dernde Begriff nicht social dis­tanc­ing, son­dern „phys­i­cal dis­tance“ heißen. Wenn es denn schon unbe­d­ingt in Englisch sein muss.
Also explizit kör­per­liche Dis­tanz. Und never ever soziale.