Normale Option
Showdown im TV. Allwöchentlich versammelte sich die übliche Diskussionsrunde am vergangenen Sonntagabend in der ARD zum Gespräch über ein brisantes Thema. Das lautete griffig:
Warum radikalisieren sich immer mehr junge Menschen?
Dazu hatte Moderatorin Anne Will auch die Frauenbeauftragte des »Islamischen Zentralrats der Schweiz« in Ihre Sendung geladen. Ihr Name: Nora IIli. Als gebürtige Schweizerin war sie mit 18 Jahren zum Islam konvertiert. Vorher hatte sie sich mit Buddhismus, dem Christentum und auch dem Punk beschäftigt. Mittlerweile ist sie mit einem ähnlich radikalen Konvertiten verheiratet und soll allenfalls für eine kleine Splittergruppe in der Schweiz stehen.
Die Einladung Illis schien zunächst ideal zum Thema der Diskutiere zu passen.
So sieht also das lebendige Beispiel einer Konvertitin aus.
Und genau das war der Punkt. Denn die Dame zeigte auch optisch Flagge. Indem sie voll verhüllt am Tisch saß. Ihren Niqab sieht sie als normale Option. Überflüssig zu sagen, wie medienwirksam ihr Auftritt war.
So referierte sie im Schweizer Dialekt über die weltweite Unterdrückung von Muslimen. Gekonnt nutzte sie ihre Bühne, um anderen Glaubensgenossinnen Mut zu machen. Wenn nötig auch mit Gewalt. Siehe Syrien.
Schlagartig entwickelte sich eine kontroverse Diskussion.
Einer der Teilnehmer warf ihr Kriegspropaganda und dergleichen vor. Ein anderer kritisierte später den voll verhüllten Auftritt der Dame.
Der allerdings war in der Tat äußerst befremdlich. Als ob jemand aus einer TV ‑Reportage im richtigen Leben gelandet war. Und den Ungläubigen des Abendlandes den Spiegel vorhalten will.
So hagelte es denn auch nach der Sendung Proteste von allen Seiten.
Hauptvorwurf: Das öffentlich – rechtliche Fernsehen hätte einer Extremistin ein Podium geboten. Und genau das trifft zu.
Denn es sprach jemand mit buchstäblich heruntergelassenem Visier und hat noch dazu die Toleranz einer offenen Gesellschaft missbraucht. Indem sie mutwillig wörtlich genommen wurde. Eine Frechheit.
Gegenprobe: Eine deutsche verhüllte Konvertitin hätte es wahrscheinlich nicht in eine solche Runde geschafft.
Und auch etwas ganz anderes stellte sich ein. Eine Art unheimliches Déjà-vu, wenn man so will.
Denn die Szene vom Sonntag lässt an eine aus Michel Houellebecqs aktuellen Roman „Unterwerfung“ denken: Dort tauchen anfangs vollständig verhüllte Frauen im Hörsaal einer Universität in Paris auf. Zunächst vereinzelt und eher beiläufig. Im weiteren Handlungsverlauf übernimmt dann eine islamistische Partei die Herrschafft in Frankreich.
Aber das ist ein fiktionaler satirischer Roman.
Und sehr fernab der Realität.