Ordinäre Fünfspänner

Ein Gespenst geht um in Weimar. Nein, dies­mal ist es nicht das des Karl Marx’schen Kom­mu­nis­tis­chen Man­i­fests. Son­dern jenes des plakatierten Wahlkampfs.
Min­destens alle vier Jahre wer­den die Straßen­rän­der auch in der Beamten, – und Pen­sionärsstadt mit Wahlplakaten bekan­nter Coleur zuge­takkert. Das es visuell nur so kracht.
Und selb­stver­ständlich hat das in Weimar Tra­di­tion. So gibt der Such­be­griff „Wahlplakate in Weimar“ im Inter­net zuallererst Wahlwer­bung der „Weimarer Repub­lik“ der 1920iger Jahre des vorigen Jahrhun­derts preis. Was freilich mit gle­ich­namiger erster demokratis­chen Grun­dord­nung auf deutschem Boden zu tun hat. Deren Inhalte chang­ierten zwis­chen extrem polar­isieren­den Fron­ten. Rechter Nation­al­is­mus traf auf den pro­le­tarischen Inter­na­tion­al­is­mus der Kom­mu­nis­tis­chen Partei. Inklu­sive ver­schiedener Split­ter­grup­pen. Damals set­zten die Parteien wesentlich stärker auf großflächige malerisch – zeich­ner­ische Darstel­lun­gen. Mit erzäh­len­dem Sym­bol­ge­halt. Sieht man ein­mal von den berühmten Fotomon­ta­gen eines John Heart­field ab.

Blickt man heute auf einen soge­nan­nten „Fün­f­spän­ner“ an einem Straßen­lam­p­en­mast, sind meist mit­telmäßig fotografierte Kon­ter­feis der jew­eili­gen Parteiköpfe im A2- For­mat zu fünft übere­inan­der auszu­machen. Verse­hen mit einer knap­pen Parole, die im Gedächt­nis der Betrachter/innen haften bleiben soll.
Kurzum: Alles zum Gäh­nen, weil vorherse­hbar. Auf diesen Umstand hatte die Redak­tion des Mag­a­zins der „Süd­deutschen Zeitung“ reagiert. Indem sie acht Kün­stler ein­lud, ihre per­sön­lichen Wahlplakate zu entwerfen.
In Heft 34 kon­nte man die Ergeb­nisse anschauen. Trotz des Adjek­tivs „per­sön­lich“ sind die bisweilen recht tre­f­fend geraten.

Die echte Wahlkampf – Kom­mu­nika­tion­s­gueril­lia haben allerd­ings die Aktivis­ten der Partei „Die Partei“ abgeliefert. Indem sie in monate­langer Vorar­beit Fan­grup­pen der AFD im Net­zw­erk Face­book kaperten. Seit eini­gen Tagen verkün­det besagte Partei nun den Vol­lzug: Man sei in 31 geheime AFD – Face­book – Grup­pen erfol­gre­ich einge­drun­gen, habe diese unter­wan­dert, deren Admin­is­tra­toren ent­fernt und durch eigene ersetzt. Auch unter Zuhil­fe­nahme soge­nan­nter Bots.
Um der recht­skon­ser­v­a­tiven Partei neue Impulse zu ver­lei­hen, wie es hieß. Nun wur­den Parolen gepostet, die der AFD kaum gefallen dürften.
Beispiel­weise: „Hetze gegen Mus­lime ist aber sofort gegen Mekka auszurichten.“ Oder: „Kri­tik am Gen­der – Irrsinn muss geschlecht­sneu­tral for­muliert werden.«
„Von nun an wer­den Sie auss­chließlich von echten Men­schen verarscht!“
Und abschließend, als Fazit:
„Wer eine Face­book-Gruppe nicht aufrecht erhal­ten kann, wird es mit einem ganzen Land erst recht nicht schaffen.«
Das verkün­dete der Wort­führer der Aktion, Satiriker Sha­hak Shapira.

Darauf kann er mehr als stolz sein. So geht Wahlkampf im Jahre 2017.