Reiben, wedeln oder hinlegen

…waren nur drei von Berufs­fo­tografen ange­wandte Prak­tiken, um die Entwick­lung eines kleinen Polaroid-Sofort­bildes nach der Auf­nahme zu forcieren. Die machte man immer, um am Set Kom­po­si­tion und  Licht­führung zu über­prüfen. Und ange­blich sollte die Selb­sten­twick­lung dieser kleinen „Polas“, wie sie im Fach­jar­gon heißen, durch reiben und wedeln oder gar kör­pereigener Wärme forciert wer­den. Doch das war eher die psy­chol­o­gis­che Über­brück­ung des Wartens auf das fer­tige Bild – am besten entwick­elt es sich näm­lich ganz still, „flach liegend und bei  opti­maler Tem­per­atur von zwanzig Grad.“ So lautet jeden­falls die Empfehlung des Her­stellerkonz­erns, der Firma Polaroid. Damit allerd­ings dürfte es nun lei­der so gut wie vor­bei sein: Denn let­zte Woche gab der Konz­ern die endgültige Stil­le­gung seiner Pro­duk­tion­sstrecke von Sofort­bild­kam­eras bekannt – Grund sind die stark rück­läu­fi­gen Umsätze, geschuldet der Durch­set­zung der dig­i­talen Fotografie. Eine Ära von immer­hin 60 Jahren neigt sich so dem Ende zu. Und das ist wahrhaftig ein Jam­mer: Umgab doch die kleinen, sich vor den eige­nen Augen selbst entwick­el­nden Bild­chen eine ganz beson­dere Aura. Ihnen wohnte ein Zauber inne, waren sie doch auch inspiri­eren­des Kom­mu­nika­tion­s­mit­tel. Über­flüs­sig zu sagen, daß sich dessen nicht wenige Kün­stler bedi­en­ten. Doch bei aller Sen­ti­men­tal­ität wird freilich auch gern vergessen, dass die viel geliebten Sofort­bilder wahrhaftig ihren Preis hat­ten: Neben dem Geld­w­ert waren sie vor allem extrem chemieab­fal­lastig, regel­rechte Umweltkiller – schaut man sich die Über­reste eines entwick­el­ten Sofort­bildes an. Allein der Geruch spricht Bände. Doch ganz ver­schwinden wird dieses Var­fahren bes­timmt nicht – zu groß ist die dies­bezügliche Fange­meinde, und so gibt es auch schon erste Über­nahme – Inve­storen für Polaroids Produktsparte.
Und – ent­ge­gen des dig­i­talen Trends – macht sich neben­her auch eine neue Gegen­be­we­gung breit: „Ana­log rockt!“ lautet trotzig der Slo­gan auf der Web­site http://www.vfdkv.de/, die seit einem Jahr unbelehrbar als „Verein für Dig­italk­a­m­er­aver­weigerer“, abgekürzt „VFDKV“, existiert und unter anderem ver­meintliche Schadens­be­gren­zung betreiben will: Roman­tisch gelebte Rückbesin­nung an Zeiten selbst entwick­el­ter Neg­a­tive und Ver­grösserun­gen in der Dunkelka­m­mer. Ein biss­chen zu nos­tal­gisch – vor allem was die Fotos selbst bet­rifft. Da sind die eben­falls ange­bote­nen T‑shirts mit dem bewußten Slo­gan schon besser.
Denn schließlich müssen ja nicht alle als Dig­i­tal­tech­nik-Proban­den in Eigen­fi­nanzierung verenden.