The Release

Seit eini­gen Wochen lädt die Klas­sik­s­tiftung Weimar Kün­stler – Absol­ven­ten der Bauhaus – Uni­ver­sität ein, „Werke der Ernestiner-Ausstel­lung neu zu inter­pretieren und Ideen sowie Herange­hensweise in einem kurzen Text zu beschreiben.“

In Teil drei der Reihe „Ernestiner trifft Bauhaus“ wid­met sich die freie Kün­st­lerin Franziska Becher einem weit­eren Exponat der Schau:
Dem „Refor­ma­tion­step­pich“ des Kün­stlers Seeger Bombek aus dem Jahr 1555. In Form einer Tapis­serie ist zu sehen, wie schwebende Engel eine Tafel mit Zitaten zum Sieg über Tod und Teufel tra­gen. Im Werk ist auch der christliche Refor­ma­tor Mar­tin Luther auszumachen.
Bei dem Tep­pich han­delt es sich um die Ver­bildlichung eines Religionskrieges.
Bekan­ntlich dien­ten Bilder bis etwa ins 19. Jahrhun­dert als pro­pa­gan­dis­tis­che Nachrichtenvermittler.

Franziska Becher inter­pretiert nun diesen Tep­pich als „Instru­men­tal­isierung der Reli­gion in Krieg und Kampf“.
Und trans­formiert das Werk in die Gegen­wart. Unter Ver­wen­dung von Bildern unserer dig­i­talen Nachricht­en­welt. For­mal ver­wen­det sie den Charak­ter eines Triptychons:
So steht nun links im Bild ein ver­mummter IS – Kämpfer. In der Bild­mitte ist das schwarzweiß – Foto eines Kriegs­ge­bi­etes im Nahen Osten mit einer riesi­gen Rauch­wolke zu sehen. Rechts im Bild ist die Uni­ver­sal­waffe (fast) jedes zeit­genös­sis­chen Krieges abge­bildet. Das Maschi­nengewehr vom Typ Kalaschnikow.
Alle drei Bildele­mente wur­den mit orna­men­talen far­bigen Motiven des 1555iger Tep­pichs versehen.

Franziska Bech­ers Absicht ist fast schon überdeut­lich zu erken­nen. Dazu schreibt sie:
„Religiöse Ver­sprechun­gen wie Erlö­sung und Leben nach dem Tod wer­den von den kriegs­führen­den Staaten zur Moti­va­tion eingesetzt.“
Im Gegen­satz zum roman­tisieren­den „Refor­ma­tion­step­pich“ ver­mit­telt Bech­ers zeit­genös­sis­che Inter­pre­ta­tion mehr als nur Unbe­ha­gen. Kom­men­tierend trägt sie den englis­chen Titel „The Release“ zu deutsch „Die Freigabe“.

In nüchterner Art wirkt diese Arbeit wie eine ästhetisch kom­prim­ierte Nachricht­en­mon­tage aktueller Kampfhand­lun­gen in den Krisen­ge­bi­eten Syriens. Ein Split Screen der let­zten Ter­ro­rat­tacke mit sin­is­terer Vorah­nung, die über die Gegen­wart hin­aus weist.
Und genau das ist herausragend.