Tafelfreuden,
oder: Operation gelungen, Patient tot. Nun ist es schon vier Wochen her, dass in der Ausgabe des Magazins „stern« vom 04.12.2003 eine aufwendige fünfseitige Fotostrecke nebst kurzem Text über den zehnjährigen Geburtstag einer in der Tat grossartigen Idee erschien: Gemeint war die der „Tafel“ – eine Bewegung von mittlerweile dreihundertfünfzig Vereinen in Deutschland, deren ehrenamtliche Mitarbeiter überschüssige Lebensmittel mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum sammeln und sie an Bedürftige weitergeben. So weit, so gut. Acht zeitgenössische Promis werben nun also für die Tafel-Idee, indem sie sich »spektakulär in Szene setzen lassen« – so der Einführungstext im Heft. Was dann allerdings an inszenierten Fotos in kompatibler Werbeästhetik zu sehen war, hätte wohl eher in den Bereich der »Food-Photography« gepasst und schießt mit Sicherheit gnadenlos an der gut gemeinten Absicht vorbei: Zu sehen ist, wie die Promis ein bißchen mit Lebensmitteln herumspielen und nebeher über ihre Eß-und Kochgewohnheiten plaudern: So balanciert Handballstar Stefan Kretzschmar ein Hühnerei auf der Zunge und lobt seine Mutter als beste Köchin, Schauspielerin Alexandria Maria Lara hat einen neckischen Hut aus lauter bunten Bonbons verpaßt bekommen und outet sich als Fleisch – und – wer hätte das gedacht – Süßigkeitenkonsumentin. „Tiger“ – Boxer Darius Michalczewski beißt in ein rohes Stück Kotelett und verrät einiges über seine Fortschritte als Feinschmecker in diversen einschlägigen Restaurants. Dressurreiterin Isabell Werth „mag nichts, das so aussieht wie schon mal gegessen“ und hält einen kleinen Fisch zwischen den Zähnen. Weiter gehts mit dem Schauspieler Ottfried Fischer, welcher mit einer Plüschbärenmaske auf dem Kopf in die Kamera blickt und ein Körbchen mit Waldbeeren in seinen Händen hält und gesteht, daß er selbst nicht kocht. Schauspielerkollege Edgar Selge lugt aus Grünkohlblättern heraus und wurde durch seine Frau zur Trennkost bekehrt, Popsägerin Sarah Connor steht in Jeanne D´Arc – Pose da und trägt eine Art Gemüsekette, verabscheut aber Rote Beete. Zu guter Letzt noch ZDF – Moderator Steffen Seibert, der gleichmal Messer und Gabel über einem Teller mit Kunststoff-Tierskelletten kreuzt und seine Frau als sehr gute Köchin lobt, von der er kochen gelernt hat. Was das Ganze nun aber mit der solidarischen Tafel-Bewegung zu tun haben soll, bleibt im Dunkeln respektive Bunten – da hilft auch kein abschließender redaktioneller Text, der recht knapp und selbstverständlich lobend über die Alltagsaktivitäten der Tafel-Mitarbeiter berichtet, einige Zahlen verrät und dann nochmals das Engagement der fotografierten acht Promis hervorhebt. Als einziger von denen hat Edgar Selge seine Denk-Hausaufgaben gemacht, indem er eventuell in seiner Freizeit einen Fahrdienst zwecks Essenstransport für die Tafel anbieten möchte – immerhin. Aber vielleicht missversteht man auch die beabsichtigte provokante Ironie des verantwortlichen Art-Direktors. Wobei sich dann doch der Verdacht eines recht übersättigten Wohlstandszynismus einstellt. Ihm sind halt schlicht und einfach die Pferde durchgegangen. Ein Gutes hat die Sache immerhin: Die Tafel-Bewegung ist jetzt auch in aller Augen, und eine Autorin nebst Fotografen haben jetzt Kraft des verordneten Arbeitshonorars wieder die ökonomischen Voraussetzungen, unser Land zu stärken – und vielleicht auch – zu spenden.
Dann hätte die Angelegenheit wenigstens noch ein bißchen Sinn.