Vertrauen vor Ort!
Weimar, im Februar 1990. Seit Wochen ist auch das Zentrum der Kulturstadt

mit Sichtreklame für politische Parteien unterschiedlichster Couleur zugetackert. Die ersten demokratischen und freien Wahlen zur Volkskammer der DDR stehen an. So wandelt man durch einen Parcours unterschiedlichster Parteienreklame. Am Goetheplatz prangt ein Aufsteller der SED – Nachfolgepartei PDS, der mit dem Slogan „Links tut gut“ wirbt. Freilich ist der mit einem entsprechenden Kommentar mittels schwarzem Edding beschrieben: „Vorsicht, Falle!“. Auf dem Schaufenster des „HO Textil – Ecks“ an der Geleitstraße kleben Ankündigungen von Wahlkampf – Reden für FDP und SPD. Hans Dietrich Genscher spricht am 24. Februar um 13.30 Uhr auf dem Theaterplatz. Willy Brandt spricht am 04. März in Weimar. „Vertrauen vor Ort“ nennt sich seine Rede. Daneben hängt ein Wahlplakat der CDU mit dem unvermeidlichen Titel „Wir sind ein Volk!“. „Freiheit ist Leistung“ wirbt der Bund Freier Demokraten. Auf dem Theaterplatz wurde neben dem Dichterdenkmal ein Trabant Kombi zum mobilen Wahlkampf – Stand umfunktioniert. Ein Freiwilliger verteilt Handzettel für gleich mehrere Parteien, die als sogenannte „Allianz für Deutschland“ agieren. Hier wird für den „Demokratischen Aufbruch“ und die „Deutsche soziale Union“ getrommelt. „Freiheit und Wohlstand. „Nie wieder Sozialismus“ ist ihr Gebot der
Stunde. Und selbstverständlich erblickt man erneut einen Plakat – Aufsteller der CDU. Genau jene Parte war sich damals nicht zu schade, sämtliche Mitglieder der ehemaligen DDR – CDU zwecks Mehrheitsbeschaffung in ihre West – Reihen aufzunehmen. Bekanntlich war die CDU der DDR Teil des sogenannten „Demokratischen Blocks der Nationalen Front“. Im damaligen Volksmund kurz „Blockflöten“ genannt.
Und so kam es, wie es kommen musste. Die „Allianz für Deutschland“
war am 18. März 1990 klarer Gewinner der Wahl.
Jenes Ereignis jährt sich heute, am 18. März 2020, zum 30. Mal. Damals lag die Wahlbeteiligung bei denkwürdig rekordverdächtigen 93,4 %
