Homeless chic

So wird in Beruf­skreisen die Insze­nierung von Mod­e­fo­tografien im Obdachlosen­look genannt. Der sieht dann fol­gen­der­maßen aus:

Neben dem Einkauf­swa­gen voller Bier­büch­sen sitzt ein Model auf einem leeren Bierkas­ten und ist dabei in aller­s­teuer­ste Design­erk­lam­ot­ten gehüllt. Mehrschichtig übere­inan­der, wie sich obdachlose Men­schen in der nasskalten Jahreszeit aus­rüsten: Man­tel, Fell­weste, Hemd, Hose, Stiefel. Selb­stver­ständlich zün­ftig gestylt und verse­hen mit allen ein­schlägi­gen Acces­soirs wie Hand­taschen, Kettchen, Hut und so weiter.

Je nach Drehbuch wer­den dann die ausstaffierten Damen am Straßen­rand, vor Super­märk­ten und öffentlichen Plätzen abgelichtet. Ver­meintlich spektakulär.

Gern greifen Mod­edesigner in unregelmäßi­gen Abstän­den auf solche Art Präsen­ta­tion zurück. Vor allem in Krisen­zeiten wie dieser soll Aufmerk­samkeit durch Pro­voka­tion und Zynis­mus erregt werden.

Will sagen: Eure Armut kotzt mich an, entrüstet Euch.

Je öfter allerd­ings dieses Prinzip bedi­ent wurde, desto weniger fand es Beach­tung. Visuelle Abnutzung kön­nte ein Grund sein, Phan­tasielosigkeit ein anderer.

Dies­mal hat es nun die deutsche Okto­ber­aus­gabe der Mod­ezeitschrift „Vogue“ getan und gek­lotzt statt gekleckert:

Eine mehr­seit­ige Foto­strecke zeigt Mod­els, die wie hochgerüstete Pfin­gstochsen ausse­hen und abgek­lärt in die Kam­era blicken. Mit eins a Make up und ein­studierter Pose. Kurz: stin­klang­weiliger Trash.

Indes will sich auch die erhoffte medi­ale Aufmerk­samkeit nicht so richtig ein­stellen. Null Beschw­er­den aus der Öffentlichkeit, kein Spek­takel, kein Volk­szorn. Höch­stens kri­tis­che Artikel aus Kol­le­genkreisen, die der Zeitschrift nachgeahmte kalkulierte Geschmack­losigkeit und der­gle­ichen attestieren.

„Signs of the Time“ ist besagte Foto­strecke betitelt. Das soll wohl irgend­wie zum Zeit­geist passen. So sicher war sich die Read­k­tion dann aber doch nicht. Denn im Netz ist die Foto­strecke nicht zu finden.

Klar doch: Obdachlose haben weder Com­puter noch Smart­phone. Pure home­less unchic sozusagen.